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Kirchengericht: | Verwaltungskammer der Evangelischen Kirche im Rheinland |
Entscheidungsform: | Urteil |
Datum: | 22.02.2011 |
Aktenzeichen: | VK 13/2009 |
Rechtsgrundlage: | § 84 Abs. 1 Nr. 1 PfDG; Richtlinien für Aufhebung besetzter Pfarrstellen vom 8. Juni 2006; |
Vorinstanzen: | keine |
Schlagworte: | Abberufung, Aufhebung einer Pfarrstelle, Ermessen, Pfarrdienstverhältnis auf Lebenszeit, Unversetzbarkeit des Pfarrers, maßgeblicher Zeitpunkt zur Beurteilung der Sach- und Rechtslage |
Leitsatz:
- Der Abberufungsregelung des § 84 Abs. 1 Nr. 1 PfDG steht weder EU-Recht, das Grundgesetz oder höherrangiges Kirchenrecht entgegen. Der Grundsatz der Unversetzbarkeit der Pfarrerin bzw. des Pfarrers gehört zum einfachen kirchlichen Recht und steht von vornherein unter dem Vorbehalt gesetzlicher Ausnahmen. Dagegen wird der Grundsatz, dass das Pfarrdienstverhältnis auf Lebenszeit begründet wird, durch die Versetzung in den Wartestand nicht tangiert; denn das Dienstverhältnis bleibt auch nach einer Abberufung und Versetzung in den Wartestand bestehen.
- Eine Abberufungsentscheidung der Kirchenleitung unterliegt hinsichtlich der Ausübung der Beurteilungsbefugnis und der Ermessensbefugnis einer eingeschränkten Rechtskontrolle entsprechend den Maßstäben des § 46 Verwaltungsgerichtsgesetz (VwGG). Sie ist nur dahingehend zu überprüfen, ob die gesetzlichen Grenzen der Befugnis und des Ermessens eingehalten und von der Befugnis in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde.
- Die Richtlinien für Aufhebung besetzter Pfarrstellen vom 8. Juni 2006 geben sachgerechte Prüfungskriterien vor.
- Die Rechtmäßigkeit einer Abberufung bestimmt sich nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung. Der Umstand, dass nach der letzten Verwaltungsentscheidung bezüglich der Aufhebung einer Pfarrstelle und der Abberufung der Inhaberin oder des Inhabers dieser Pfarrstelle eine andere Pfarrstelle in derselben Kirchengemeinde frei wird, ist für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Abberufungsentscheidung ohne Bedeutung. Weil die Abberufung rechtens war, kommt es auf eine später eintretende Möglichkeit, ein als milder angesehenes Mittel im Sinne der Richtlinien für Aufhebung besetzter Pfarrstellen vom 8. Juni 2006 anzuwenden, nicht mehr an.
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
#Tatbestand
###Die 1958 geborene Klägerin ist nach einer Scheidung im Jahr 1999 in 2. Ehe verheiratet und hat ein Kind im Alter von 10 Jahren. Sie ist seit 1989 ordiniert und wurde 1994 mit einem Dienstumfang von 100 % in die 1. Pfarrstelle der Kirchengemeinde Q., Bezirk R., eingeführt. Ihr Ehemann ist an Multipler Sklerose erkrankt, jedoch noch teilberufstätig.
Die Kirchengemeinde Q., die Beigeladene zu 2), hatte 2008 noch insgesamt 6 von ursprünglich 8 Pfarrstellen, wovon zwei jeweils mit Ehepaaren besetzt waren:
1. Pfarrstelle: Pfarrerin S. (Klägerin)
2. Pfarrstelle: aufgehoben
3. Pfarrstelle: Pfarrer T.
4. Pfarrstelle: Pfarrerin U. und Pfarrer V.
5. Pfarrstelle: Pfarrer W.
6. Pfarrstelle: Pfarrer X. und Pfarrerin Y.
7. Pfarrstelle: aufgehoben
8. Pfarrstelle: Pfarrer Z..
Die Zahl der Gemeindeglieder ist seit Jahren rückläufig: betrug sie 1973 noch 22.010, so sank sie bis 2007 auf 11.920. Im Jahr 2011 gibt es noch 11.100 Gemeindeglieder. Bei sieben besetzten Pfarrstellen im Jahr 1973 (Gemeindeglieder je Pfarrstelle 3.144) sank 2007 bei sechs besetzten Pfarrstellen die Zahl der Gemeindeglieder je Pfarrstelle auf 1.987.
Das Presbyterium der Beigeladenen zu 2) hatte bereits in seiner Sitzung am 30.05.2006 „Leitsätze für die Neustrukturierung der Ev. Kirchengemeinde Q.“ beschlossen. Dieses Papier diente auch der Absicht, eine Orientierung im Hinblick auf die noch konkret zu treffenden Entscheidungen hinsichtlich der Gemeindefinanzen zu gewinnen. In diesen Leitsätzen wurde auch festgelegt, dass die Belastung der Gemeinde mit den Kosten von Pfarrstellen drastisch reduziert werden und jede Möglichkeit der Refinanzierung ausgeschöpft werden müsse. In der Folgezeit blieben jedoch die Aktivitäten hinsichtlich einer Refinanzierung erfolglos.
Das Presbyterium erörterte nachfolgend die Möglichkeit der Aufhebung einer Pfarrstelle. Eine Arbeitsgruppe „Pfarrdienst“ des Presbyteriums erstellte einen Bewertungsbogen für die Entscheidung, welche Pfarrstelle aufgehoben und welcher Pfarrstelleninhaber entsprechend abberufen werden könnte. In einer Sondersitzung vom 3. September 2007 stimmte das Presbyterium in Abwesenheit der Pfarrstelleninhaber einstimmig der Verwendung des von der Arbeitsgruppe vorgelegten Bewertungsbogens zu, der sodann von jedem Mitglied des Presbyteriums ausgefüllt wurde. Vor der anschließenden Auswertung wurde noch eine Korrektur der Ansätze für die „persönlichen Belange“ vorgenommen.
In seiner Sitzung vom 19.09.2007 erörterte das Presbyterium der Beigeladenen zu 2) das Ergebnis der ausgewerteten Fragebögen. Bei der Beurteilung des Beitrags der Pfarrer zur Aufrechterhaltung einer lebendigen Gemeindearbeit und unter Berücksichtigung der für die persönlichen Belange vergebenen Punkte erreichte die Klägerin eine Gesamtpunktezahl von 376,50, Pfarrer T. eine solche von 283,07, während die anderen Pfarrstelleninhaber zwischen 425,68 (Pfarrer Z.) und 537,04 (Pfarrer-Ehepaar U./V.) lagen. Am selben Tag beschloss das Presbyterium der Beigeladenen zu 2) deshalb, vor dem Hintergrund der finanziellen Schwierigkeiten der Gemeinde den Kreissynodalvorstand zu bitten, bei der Landeskirche die Aufhebung der 3. Pfarrstelle, besetzt mit Pfarrer T., zu beantragen.
Alle Pfarrerinnen und Pfarrer wurden im Vorfeld zu dem Auswahlverfahren angehört, indem ihnen drei Fragen vorgelegt wurden, die sich mit der Aufhebung von Pfarrstellen und der finanziellen Lage der Gemeinde befassten. Die Klägerin antwortete mit dem am 16. Oktober 2007 bei dem Beigeladenen zu 1) (Kirchenkreis P.) eingegangenem Schreiben, sie halte die Aufhebung einer Pfarrstelle nicht für erforderlich, der Stellenwert des Pfarrdienstes sei so hoch, dass eine Stellenaufhebung vermieden werden müsse. Sie halte den Weg hinsichtlich des Auswahlverfahrens für anfechtbar.
Der Kreissynodalvorstand des Beigeladenen zu 1) antwortete dem Presbyterium mit Schreiben vom 27.12.2007, dass er im Hinblick auf die besorgniserregende Lage der Gemeinde die Aufhebung einer zweiten Pfarrstelle für unumgänglich halte und dies für das Jahr 2008 anstrebe. Das Presbyterium von Q. möge sich zu dieser Absicht beschlussmäßig verhalten.
In seiner Sitzung am 22.01.2008 beschloss daraufhin das Presbyterium, die Aufhebung einer weiteren Pfarrstelle zu beantragen (17 Ja-Stimmen, 4 Gegenstimmen). Im Anschluss daran beschloss das Presbyterium in derselben Sitzung mit 13 Ja-Stimmen, 7 Gegenstimmen und 1 ungültigen Stimme, den Antrag auf Aufhebung auch der 1. Pfarrstelle, besetzt mit der Klägerin, zu stellen.
Am 26.01.2008 erfolgte durch den KSV des Beigeladenen zu 1) eine Anhörung der Klägerin und des Pfarrers T. zu den angestrebten Pfarrstellenaufhebungen. Wenige Tage zuvor waren auch die übrigen Pfarrer angehört worden. Die Klägerin nahm u.a. Stellung zu ihren persönlichen Verhältnissen, zur Situation in dem Bezirk R., wobei sie u.a. einräumte, dass sie versucht habe, diesen Bezirk selbständig zu gestalten, und dass sie sich in den Jahren zwischen 2003 und 2006 nicht allzu sehr in das Gesamtgefüge der Gemeinde habe einbringen können.
Der Kreissynodalvorstand des Beigeladenen zu 1) beschloss in seiner Sitzung am 20.02.2008, die Aufhebung der 1. und 3. Pfarrstelle der Kirchengemeinde bei der Kirchenleitung der Beklagten zu beantragen.
Diesen Beschluss teilte der Superintendent des Beigeladenen zu 1) mit Schreiben vom 18.03.2008 dem Landeskirchenamt der Beklagten mit. Zur Begründung führte er die schlechte finanzielle Situation der Kirchengemeinde an, die seit Jahren bekannt sei. Die Versuche zur Entlastung der Gemeinde durch personalplanerische Maßnahmen im Kirchenkreis seien erfolglos geblieben. In absehbarer Zeit werde im Kirchenkreis keine andere Pfarrstelle frei, so dass nur die Aufhebung der beiden Pfarrstellen möglich sei. Schon für das Jahr 2008 habe man die Aufhebung einer und für das Jahr 2010 die Aufhebung einer weiteren Pfarrstelle beantragen wollen. Bei Eintritt in diesen Prozess habe man allerdings festgestellt, dass damit hohe psychische Belastungen und erhebliche menschliche Zumutungen sowohl für die betroffenen Pfarrstelleninhaber als auch für die Mitglieder des Presbyteriums verbunden seien. Deshalb habe man nur einmal – 2008 – diesen Prozess durchführen wollen, weshalb es sinnvoll sei, schon jetzt beide Pfarrstellen aufzuheben.
Die finanzielle Situation der Gemeinde stelle sich nach deren schriftlichem Bericht vom 03.02.2008 so dar, dass für 2007 noch ein Überschuss von rund 30.000,- € erwirtschaftet worden sei, für 2008 werde ein Minus von rund 177.000,- € erwartet und danach seien im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung weitere Fehlbeträge zwischen 75.000,- € und 206.000,- € zu erwarten. Die Mittel aus den laufenden Einnahmen reichten 2007 nicht zur Substanzerhaltung des umfangreichen Gebäudebestandes aus. In 2008 seien solche Maßnahmen weitgehend aus der Baurücklage zu finanzieren. Die Gemeinde habe bereits den Verkauf von Immobilien eingeplant und teilweise umgesetzt. Die Ausgleichsrücklage liege inzwischen unter dem vorgeschriebenen Minimum und sei bei anhaltender Heranziehung zum Haushaltsausgleich im Jahr 2010 verbraucht. Der von der Gemeinde betriebene Friedhof habe bereits die entsprechende Rücklage verbraucht, die wirtschaftlichen Risiken in diesem Bereich seien hoch. Die Gemeinde habe zurzeit Schulden in Höhe von 3.086.115,32 € und müsse jährlich einen Schuldendienst von 164.148,69 € bedienen.
Es seien in der Vergangenheit bereits eine Reihe von Ausgabenkürzungen vorgenommen worden, so z.B. Abbau einer Pfarrstelle (1997), Reduzierung der Küsterstellen von 5 auf 3, der Gemeindeschwesternstellen von 5,8 auf 1,5 (zuletzt 2003), Reduzierung der Kosten für die Kirchenmusik, Reduzierung der Jugendleiterstellen von 4,3 auf 3 (zuletzt 2003), Schließung zweier Kindertagesstätten und von insgesamt 3 Kindergartengruppen, Personalreduzierungen im Bereich der Reinigungskräfte und Wirtschaftskräfte in den Tageseinrichtungen.
Hinsichtlich der pfarramtlichen Versorgung ergebe sich Folgendes: Die Gemeinde habe kontinuierlich Gemeindeglieder verloren, ohne im gleichen Maße Pfarrstellen abzubauen. 1973 seien für 22.010 Gemeindeglieder 7 Pfarrstellen vorhanden gewesen, 2007 für nur noch 11.920 Gemeindeglieder noch 6 Pfarrstellen. Im Kirchenkreis P. habe sich gezeigt, dass bei Gemeinden mit mehreren Pfarrstellen eine Relation einer Pfarrstelle zur Gemeindegliederzahl von 1:3000 notwendig sei. Bei Aufhebung von 2 Pfarrstellen in der Kirchengemeinde Q. ergebe sich eine Relation von 1:2957 bei einer Tendenz zu weiter fallenden Gemeindegliederzahlen. Dies entspreche Verhältnissen, die innerhalb von städtischen Gemeinden üblich seien. Zur Überprüfung sei anhand des bisherigen Punktekatalogs eine Bepunktung vorgenommen worden, die von 4 Pfarrstellen und 4 Gemeindezentren ausgehe. Dabei habe sich eine Punktzahl von 99 Punkten pro Pfarrstelle ergeben, was ein zusätzlicher Indikator für eine ausreichende pfarramtliche Versorgung der Gemeinde sei.
Die Möglichkeit einer Vermeidung der Pfarrstellenaufhebung durch Einsatz milderer Mittel bestehe nicht. Refinanzierungen im Bereich der Altenpflege seien nicht möglich, andere Refinanzierungsmöglichkeiten der Pfarrstellen nicht erkennbar. Alle Pfarrer und Pfarrerinnen außer den Stelleninhabern der 1. und 3. Pfarrstelle seien Alleinverdiener, so dass diesen eine Reduzierung des Stellenumfangs nicht möglich sei. Allerdings könne bei den Ehepartnern der Pfarrstelleninhaber der 1. und 3. Pfarrstelle aus gesundheitlichen Gründen nicht davon ausgegangen werden, dass diese auch in Zukunft ihre Teilarbeit weiter ausführen könnten.
Hinsichtlich der Auswahl, welche Pfarrstelle aufzuheben sei, habe der KSV zunächst die von dem Presbyterium vorgenommene Bewertung des Dienstes der Pfarrerinnen und Pfarrer zur Kenntnis genommen. In diesem Bewertungsverfahren seien die in den „Richtlinien für die Aufhebung von besetzten Pfarrstellen“ angegebenen Kriterien zugrunde gelegt worden, die zu einer Punktewertung für jede Pfarrstelle geführt hätten. Die Punktezahlen seien addiert und durch die Anzahl der Pfarrstellen dividiert worden, so dass sich für jede Pfarrstelle eine Durchschnittspunktezahl ergeben habe. Diese Bewertung gebe eine intersubjektive Betrachtungsweise wieder, der eine hohe Bedeutsamkeit beizumessen sei. Diese sei in der Sitzung des Presbyteriums am 19.09.2007 unter Leitung des Superintendenten als sachgemäß angesehen worden.
Das Presbyterium habe den Pfarrstelleninhabern Gelegenheit gegeben, zu dem Ergebnis des Auswahlverfahrens schriftlich Stellung zu nehmen.
Der KSV des Beigeladenen zu 1) habe die Pfarrerinnen und Pfarrer am 18.01. und 26.01.2008 angehört und danach eine Abwägung hinsichtlich der zu treffenden Ermessensentscheidung vorgenommen. Dabei habe sich herausgestellt, dass die Klägerin, die unbestreitbar eine profilierte Gemeindearbeit leiste und bei den Gemeindegliedern durch eine klare geistliche Akzentsetzung eine hohe Resonanz genieße, in der Gesamtbewertung hinter den Stelleninhabern U./V., W., Z. und Eheleute X./Y. abfalle. Zudem sei ihr 2004 im Rahmen des 10-Jahres-Gespräches der Rat zum Stellenwechsel erteilt worden, ihre Bewerbungen auf Stellen in anderen Gemeinden seien jedoch erfolglos geblieben. Ihr Verhältnis zur Gesamtgemeinde Q. müsse als angespannt gelten.
In Abwägung der danach verbleibenden Möglichkeiten sei auch die 1. Pfarrstelle, besetzt durch die Klägerin, aufzuheben. Ihr sei bereits 2004 der Rat zum Stellenwechsel erteilt worden, sie habe von 1995 bis 2001 die Loslösung ihres Bezirkes von der Gesamtgemeinde und die Begründung einer eigenständigen Gemeinde betrieben, wovon sie sich innerlich noch immer nicht gelöst habe. Es sei allerdings festzustellen, dass bei einer Aufhebung dieser Pfarrstelle mehr Gemeindeglieder von einem Wechsel der pastoralen Bezugsperson betroffen seien.
Auch landeskirchliche Belange seien nicht entscheidend berührt, da alle Pfarrstelleninhaber zwischen 41 und 49 Jahre alt seien und im Blick auf die Versorgungskasse eventuelle Belastungen gleich einzuschätzen seien. Die Gefahr einer Dienstunfähigkeit bestehe nicht, alle seien in gleicher Weise vermittelbar.
Auch in Abwägung der persönlichen Belange der einzelnen Pfarrstelleninhaber ergebe sich für die einzelnen Pfarrerinnen und Pfarrer, dass durch eine Pfarrstellenaufhebung mehr oder minder alle gleich belastet seien; besondere Gründe, die einer solchen Entscheidung entgegen stünden, seien nicht ersichtlich, wobei das Ehepaar X./Y. eine Ausnahme mache, weil deren vier schulpflichtige Kinder durch einen Wegzug und Schulwechsel besonders betroffen würden.
Die Aufhebung der Pfarrstellen sollte zum 01. Juli 2008 erfolgen.
Die zuständige Dezernentin des Landeskirchenamtes der Beklagten legte am 16.04.2008 dem Kollegium des Landeskirchenamtes den Antrag des KSV des Beigeladenen zu 1) vor. Das Kollegium fasste am 22.04.2008 zunächst auch einen entsprechenden Beschluss, hob diesen jedoch durch Beschluss vom 29.04.2008 auf, um eine Anhörung der Betroffenen durchzuführen.
Am 15.05.2008 sollte die Klägerin im Beisein ihres damaligen Prozessbevollmächtigten Dr. O. angehört werden. Da diesem aber erst am 15.05.2008 alle Unterlagen zugänglich gemacht und übergeben wurden, wurde ein weiterer Termin vereinbart, der am 09.06.2008 im Landeskirchenamt der Beklagten stattfinden sollte. Dieser Termin wurde sodann wegen Verhinderung ihrer neuen Prozessbevollmächtigten abgesagt.
Mit Schreiben vom 18.08.2008 beurlaubte der Superintendent des Beigeladenen zu 1) die Klägerin, wie von ihr selbst mit Schreiben vom selben Tag erbeten, gemäß § 29 PfDG mit Wirkung ab 20.08.2008. Das Kollegium des Landeskirchenamtes beschloss am 26.08.2008 die Fortdauer der von dem zuständigen Superintendenten ausgesprochenen Beurlaubung gemäß § 29 Abs. 1 Satz 4 PfDG. Hintergrund der Beurlaubung war nach dem Beschluss des Kollegiums ein tiefgreifender Dissens, den es in dem Bezirk R. schon seit einiger Zeit zwischen der Klägerin und den sogenannten „Protestanten am R.“ einerseits und den anderen hauptamtlichen Mitarbeitern und dem Presbyterium der Beigeladenen zu 2) andererseits gebe. Die Beurlaubung diene der Beruhigung der zugespitzten Situation.
Zuvor hatte das Presbyterium der Beigeladenen zu 2) am 19.08.2008 den Antrag auf Beurlaubung der Klägerin gestellt und diesen durch Beschluss vom 26.08.2008 ausführlich begründet.
Mit Schriftsatz vom 12.09.2008 ließ die Klägerin in Vorbereitung eines Anhörungstermins am 16.09.2008 vortragen, dass die Voraussetzungen einer Abberufung nach § 84 Abs. 1 PfDG nicht vorlägen. Der Antrag des KSV entspreche auch nicht den Richtlinien für die Aufhebung von besetzten Pfarrstellen. Im Einzelnen trug die Klägerin vor:
- Die Haushaltslage könne den Aufhebungsantrag nicht begründen, weil bei steigenden Steuereinnahmen statt des erwarteten Minus ein deutliches Plus zu verzeichnen sei. Zudem verfüge die Gemeinde noch über erhebliches Vermögen. Im Übrigen habe man bis zum Jahr 2000 an 6 Pfarrstellen festgehalten, obwohl die Gemeindegliederzahl bei ca. 13000 bis 14000 gelegen habe. Mehrere Pfarrstellen im Kirchenkreis hätten intern besetzt werden können, seien aber mit externen Kandidaten besetzt worden. Eine Umsetzung von Pfarrern der Gemeinde Q. sei somit verhindert worden.
- Das Landeskirchenamt der Beklagten habe mit Schreiben vom 21.08.2008 mitgeteilt, dass im kirchlichen Amtsblatt mehrere Stellen ausgeschrieben seien, die durch das alleinige Wahlrecht des jeweiligen Trägers – also durch das jeweilige Presbyterium oder den Kirchenkreis – besetzt werden könnten. Dies sei unzutreffend: diese Pfarrstellen seien alle vom Landeskirchenamt vorgeschlagen und besetzt worden.
- Zudem sei nicht mitgeteilt worden, wann und wo Pfarrstellen durch Eintritt eines Pfarrers in den Ruhestand frei würden.Auch im Kirchenkreis P. sei entgegen der Angabe des Kirchenkreises eine Pfarrstelle ausgeschrieben worden, wie sich aus dem Amtsblatt Nr. 7 vom 15.07.2008 ergebe (Pfarrstelle N.).
Die Beklagte habe auch nicht geprüft, ob es mildere Mittel gebe:
- So sei keine Frist eingeräumt worden, um eine neue Pfarrstelle zu finden.
- Es seien keine ergänzenden refinanzierten Beauftragungen gefunden worden.
- Es sei nicht überprüft worden, ob die Übertragung einer anderen Pfarrstelle im Kirchenkreis möglich sei.
- Die Finanzierbarkeit durch die Gemeinde oder vertretbare Einsparungen in anderen Bereichen seien nicht ausreichend geprüft worden.
- Es sei nicht versucht worden, die Pfarrstelleninhaber zu einem eingeschränkten Dienst zu bewegen.
Das Auswahlermessen sei ebenfalls fehlerhaft. Es werde bestritten, dass das Presbyterium zutreffende Kriterien erarbeitet habe; vielmehr seien diese willkürlich und aus der Luft gegriffen. Die Aufstellung der Aktivitäten sei unvollständig.
Auch die Ermessensentscheidung sei völlig willkürlich. So sei Pfarrer W. erst seit 2000 in Q. tätig. Die Klägerin habe eine Vielzahl von Aktivitäten ins Leben gerufen. Zudem sei sie mit 50 Jahren deutlich schlechter vermittelbar als andere Pfarrer der Gemeinde. Auch die persönlichen Verhältnisse der Klägerin seien unzutreffend dargestellt worden: sie sei als Alleinverdienerin anzusehen, weil ihr kranker Ehemann durch seine Tätigkeit monatlich weit unter 400,00 € verdiene.
Am 16.09.2008 fand eine mündliche Anhörung der Klägerin statt, wobei die einzelnen Punkte der klägerischen Stellungnahme vom 12.09.2008 erörtert wurden. Angesprochen wurde dabei auch die Möglichkeit der Übertragung einer mbA-Stelle.
Durch Beschluss vom 28.10.2008 hob das Kollegium des Landeskirchenamtes der Beklagten die 1. Pfarrstelle der Beigeladenen zu 2) mit Wirkung zum 01.12.2008 auf und berief die Klägerin gemäß § 84 Abs. 1 Nr. 1 PfDG mit Wirkung vom gleichen Datum ab. Ferner wurde die Beurlaubung mit sofortiger Wirkung gemäß § 86 Abs. 1 PfDG ausgesprochen. In der Begründung wird auf die Bewertungen und Abwägungen des Presbyteriums der Beigeladenen zu 2), die Ausführungen des Beigeladenen zu 1) und auf eine eigene Prüfung anhand der Richtlinien Bezug genommen. Dabei habe sich ergeben, dass die Klägerin, selbst wenn nicht alle ihre Aktivitäten in der Gemeinde vom Presbyterium ausreichend berücksichtigt würden, in ihrer Gesamtpunktezahl nicht an jene der anderen Pfarrer und Pfarrerinnen herangereicht habe. Insbesondere der Vorwurf, die Klägerin identifiziere sich nicht mit der Gesamtgemeinde, sondern nur mit ihrem Bezirk R., habe zu einer schlechteren Bewertung ihres Dienstes geführt. Im Übrigen sei – nach deren Prüfung – der Vortrag des Kreissynodalvorstandes schlüssig.
Der Beschluss wurde der Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 30.10.2008 zugestellt. Diese legte mit Schriftsatz vom 28.11.2008 Widerspruch gegen den Beschluss vom 28.10.2008 ein. In der Begründung vom 27.01.2009 rügte die Prozessbevollmächtigte einen ihrer Ansicht nach schwerwiegenden Verfahrensfehler: Die Abberufung der Klägerin zum 01.12.2008 sei bereits im kirchlichen Amtsblatt (Nr. 1/2009) vom 15.01.2009 bekannt gegeben worden, obwohl die Entscheidung nicht unanfechtbar gewesen sei.
Daraufhin korrigierte das Landeskirchenamt der Beklagten im kirchlichen Amtsblatt Nr. 2/2009 diese „versehentlich“ erfolgte Mitteilung.
In der Widerspruchsbegründung vom 10.02.2009 wiederholte die Klägerin im Wesentlichen die bisher vorgetragenen Gründe und legte eine Zusammenfassung ihrer Tätigkeiten in dem Bezirk R. vor. Diese wurde von dem Presbyterium der Beigeladenen zu 2) „wohlwollend zur Kenntnis“ genommen, aber auch kritisch angemerkt, dass viele Aktivitäten der Klägerin von ihr alleine verantwortet worden seien, wohingegen die Situation der Gesamtgemeinde eher einen „Teamplayer“ erfordere.
Durch Beschluss vom 06.03.2009 wies das Kollegium des Landeskirchenamtes der Beklagten den Widerspruch als unbegründet zurück. In der Begründung wies die Beklagte darauf hin, dass der KSV des Beigeladenen zu 1) zwar die Prüfung des Presbyteriums der Beigeladenen zu 2) hinsichtlich der zu streichenden Stellen zur Kenntnis genommen habe, aber auch eine eigene Prüfung anhand der Richtlinien vorgenommen habe. Der Widerspruchsbescheid vom 18.03.2009 wurde der Klägerin am 20.03.2009 zugestellt.
Nach ihrer Beurlaubung wurde der Klägerin gemäß § 86 Abs. 1 PfDG Ende Dezember 2008 ein anderer pfarramtlicher Dienst im Kirchenkreis L. zur Wahrnehmung der Vakanzvertretung einer Pfarrstelle in der Kirchengemeinde M. zugewiesen. Am 23.09.2009 wurde diese Zuweisung insoweit geändert, als die Klägerin nunmehr mit Wirkung vom 1. November 2009 dem Superintendenten des Kirchenkreises L. zugewiesen wurde.
Mit ihrer Klage vom 17.04.2009, eingegangen bei der Verwaltungskammer am selben Tag, wendet sich die Klägerin gegen den Abberufungsbescheid vom 28.10.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18.03.2009.
Sie trägt vor:
- sie sei nicht nach § 85 PfDG angehört worden und habe keine Gelegenheit gehabt, ihre Arbeit darzustellen;
- es sei nicht geprüft worden, ob es mildere Mittel gebe;
- ihre Aktivitäten in der Gemeinde seien nicht angemessen berücksichtigt worden;
- die Bewertungen der persönlichen Belange seien absolut fehlerhaft;
- das Landeskirchenamt habe keine eigene Prüfung vorgenommen;
- das Auswahlermessen sei fehlerhaft;
- eine Gemeindekonzeption gebe es nicht, gemeindliche Belange seien nicht berücksichtigt worden;
- landeskirchliche Belange seien überhaupt nicht bewertet worden;
- die Abberufung verstoße gegen Art. 12 GG in Verbindung mit Art. 33 GG;
- sie verstoße auch gegen EU-Recht, wie die Urteile des EuGH vom 23.09.2010 – C 425/03 und C 1620/03 – zeigten;
- schließlich sei die Beklagte auch nicht ihrer Pflicht zur amtsangemessenen Verwendung und Zuweisung einer gleichwertigen Pfarrstelle nachgekommen; ein Wechsel in eine mbA-Stelle verstoße gegen das Gleichbehandlungsprinzip.
Während des bereits anhängigen Klageverfahrens wurde bekannt, dass der Inhaber der 8. Pfarrstelle, Pfarrer Z., in eine andere Kirchengemeinde gewechselt ist, so dass seine Pfarrstelle nunmehr frei ist. Mit Schreiben vom 06.08.2010 teilte die Klägerin dem Landeskirchenamt der Beklagten über ihre Prozessbevollmächtigte mit, dass sie ausdrücklich ihre Bereitschaft zu ihrem weiteren Einsatz in Q. erkläre. Die Beklagte erwiderte mit Schreiben vom 09.08.2010, dass der Stellenwechsel keinen Einfluss auf das anhängige Verfahren habe. Daraufhin erweiterte die Klägerin ihre Klageanträge [siehe unten zu 2) und 3)] mit Schriftsatz vom 29.09.2010, eingegangen bei der Verwaltungskammer am selben Tag. Insoweit ist sie der Ansicht, dass die Weiterbeschäftigung in einer jetzt frei gewordenen Pfarrstelle im Kirchenkreis das mildere Mittel sei.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid des Landeskirchenamtes der Beklagten vom 28. Oktober 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. März 2009 aufzuheben;
hilfsweise
- die Klägerin als Pfarrerin weiter zu beschäftigen;weiter hilfsweise
- die Klägerin auf der 8. Pfarrstelle der Evangelischen Kirchengemeinde Q. in P. weiter zu beschäftigen;weiter hilfsweise
- für den Fall des Unterliegens mit den Anträgen zu 1) und/oder 2) die Klägerin auf die 8. Pfarrstelle der Evangelischen Kirchengemeinde Q. in P. zu berufen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beigeladenen beantragen ebenfalls,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte vertieft zunächst den Vortrag aus den angefochtenen Bescheiden. Ergänzend trägt sie vor, dass die Tatsache, dass ab 01.10.2010 die 8. Pfarrstelle in der Gemeinde Q. frei sei, für die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Abberufung unbeachtlich sei, weil insoweit auf den Zeitpunkt der Abberufung abzustellen sei.
Der Beigeladene zu 1) ist der Meinung, dass die Abberufung aus der zulässigen Aufhebung der Pfarrstelle folge und der entsprechende Beschluss des KSV in einwandfreier Weise zustande gekommen sei. Insbesondere sei das Engagement der Klägerin im Bezirk R. angemessen berücksichtigt und gewürdigt worden.
Die Beigeladene zu 2) hat sich mit Schriftsatz vom 17.01.2011 geäußert. Sie schließt sich zunächst den Ausführungen der Beklagten und des Beigeladenen zu 1) an und verweist auf ein Konzept zum pastoralen Dienst vom 11.03.2005, in dem bereits als Ziel die Reduzierung der Pfarrstellen auf 5 oder 4 genannt wird. Schon damals sei beschlossen worden, die Pfarrstelle in R., wenn diese frei werde, mit Herrn Pfarrer T. zu besetzen und dessen Pfarrstelle K. aufzuheben. Das Presbyterium habe sich die Entscheidung nicht leicht gemacht, sondern versucht, anhand der Gesetze und der Richtlinien alle Fakten zusammen zu tragen, um möglichst eine einmütige Entscheidung zur Frage, welche Pfarrstellen aufzuheben seien, herbeizuführen. Dieser Prozess sei ergebnisoffen gewesen und in allen Punkten jeweils von einmütigen, zum Teil einstimmigen Entscheidungen des Presbyteriums getragen worden. Erst nach Bekanntwerden des Ergebnisses sei von den direkt Betroffenen begonnen worden, das Verfahren zu rügen. Die Finanzlage der Gemeinde sei nach wie vor mit größten Risiken behaftet. Die Gemeinde habe noch ein Jahr nach den Abberufungen die Kosten für die 1. und 3. Pfarrstelle aufbringen müssen; eine Entlastung sei erst Ende 2009 erfolgt. Die Finanzsituation des Friedhofs sei, wie der Rechnungsprüfer angemerkt habe, nach wie vor katastrophal. Es stehe auch nicht fest, ob die durch den Weggang von Herrn Pfarrer Z. freigewordene Pfarrstelle jemals wieder besetzt werde. Zur Klägerin sei anzumerken, dass diese nach dem 10-Jahres-Gespräch und dem Rat zum Stellenwechsel angekündigt habe, sich eine andere Gemeinde bis zum Sommer 2005 suchen zu wollen. Nur deshalb sei dann von einem Antrag auf Durchführung des Abberufungsverfahrens abgesehen worden. Irritierend sei auch, dass die Klägerin bestreite, den Bezirk R. von der Gesamtgemeinde abspalten zu wollen. Bereits 1998 habe sie ein umfangreiches Dossier verfasst und mit den Worten vorgelegt, der Bezirksausschuss sei zu dem Ergebnis gekommen, den Weg in die Selbständigkeit zu wagen. Seit ihrer Beurlaubung nehme die Klägerin an keiner Veranstaltung der Kirchengemeinde Q. teil.
Wegen der Einzelheiten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, den Vortrag der Parteien sowie auf die von der Beklagten und den Beigeladenen vorgelegten Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.
#Gründe:
Die Klage ist hinsichtlich des mit dem Hauptantrag geltend gemachten Begehrens zulässig, aber unbegründet.
Das Vorverfahren ist insoweit ordnungsgemäß durchgeführt worden, als unter dem 28.10.2008 der Abberufungsbescheid, zugestellt am 30.10.2008, ergangen ist, gegen den die Klägerin rechtzeitig Widerspruch eingelegt und nach dem Widerspruchsbescheid vom 18.03.2009, zugestellt am 20.03.2009, form- und fristgerecht am 17.04.2009 Klage erhoben hat. Damit sind die Voraussetzungen des § 22 VwGG erfüllt.
Es ist auch der Verwaltungsrechtsweg gemäß § 19 Abs. 2 VwGG gegeben, weil es um einen Abberufungsbescheid nach § 84 Abs.1 Nr. 1 Pfarrdienstgesetz (PfDG) geht und damit um eine Streitigkeit aus einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Kirche.
Die mit dem Hauptantrag erhobene Anfechtungsklage ist jedoch nicht begründet.
Die Anfechtungsklage wäre dann begründet, wenn die Beklagte das Abberufungsverfahren nach § 84 Abs. 1 Nr. 1 PfDG selbst rechtsfehlerhaft durchgeführt hätte, ihr also ein Verfahrensverstoß unterlaufen wäre, oder wenn die Beklagte ihr Ermessen in der Begründung der Entscheidung überschritten hätte.
Nach § 84 Abs. 1 Nr. 1 PfDG kann ein Pfarrer im Interesse des Dienstes aus der Pfarrstelle abberufen werden, wenn die Pfarrstelle aufgehoben wird.
Nach § 1 Abs. 2 Pfarrstellengesetz (PStG) entscheidet über die Aufhebung einer Pfarrstelle die Kirchenleitung auf Antrag des Kreissynodalvorstandes und im Einvernehmen mit ihm. Das zuständige Presbyterium muss gehört werden.
Für die Aufhebung von besetzten Pfarrstellen bestehen „Richtlinien für die Aufhebung von besetzten Pfarrstellen“ vom 08.06.2006 (KABl. S. 159), die das Stellenaufhebungsverfahren und das damit verbundene Abberufungsverfahren regeln.
1.
Das Abberufungsverfahren ist nach der Überzeugung der Verwaltungskammer nicht zu beanstanden, weil es weder gegen ein Gesetz verstößt noch die Grundsätze eines fairen Verfahrens verletzt hat.
- § 85 Abs.1 PfDG setzt für das Abberufungsverfahren nach § 84 Abs. 1 Nr. 1 PfDG einen Antrag des Leitungsorgans der Anstellungskörperschaft (Presbyterium) oder – bei einem Gemeindepfarrer – auch des KSV voraus. Das Abberufungsverfahren begann hier mit dem Beschluss des Presbyteriums vom 22.01.2008, die Abberufung auch der Klägerin zu beantragen, und mit dem Beschluss des KSV vom 20.02.2008 und dem entsprechenden Antragsschreiben des Superintendenten vom 18.03.2008. Damit ist diese Voraussetzung der Abberufung, ein Antrag an das Landeskirchenamt der Beklagten, erfüllt.
- Über die Abberufung beschließt – wie hier geschehen - nach § 85 Abs.1 PfDG die Kirchenleitung. Nach § 85 Abs. 2 PfDG sind die Betroffenen und die nach Abs. 1 Antragsberechtigten zu hören. Entgegen der Darstellung der Klägerin ist diese hier mehrfach angehört worden, so im Vorverfahren durch das Presbyterium der Beigeladenen zu 2), wobei die Stellungnahme in dem am 11.10.2007 bei der Beigeladenen zu 2) eingegangenen Schreiben der Klägerin zu sehen ist, ausführlich persönlich durch den KSV des Beigeladenen zu 1) am 26.01.2008 und schließlich – maßgeblich – im eigentlichen Abberufungsverfahren im Landeskirchenamt am 16.09.2008, wo die einzelnen Punkte ihres Schreibens vom 12.09.2008 durchgesprochen wurden. Die Klägerin hatte damit in ausreichendem Maße rechtliches Gehör. Sie hatte auch mehrfach Gelegenheit, ihre Arbeit darzustellen und im Einzelnen auf ihre Aktivitäten hinzuweisen, was sie auch genutzt hat, wie das umfängliche Schreiben der klägerischen Prozessbevollmächtigten vom 12.09.2008 im Vorfeld ihrer danach erfolgten Anhörung zeigt.Der KSV des Beigeladenen zu 1) hat unter dem 18.03.2008 selbst den Antrag gestellt, so dass auch diese Voraussetzung der Abberufung (vgl. § 85 Abs. 1 Satz 1 PfDG) erfüllt ist. Auch die Beigeladene zu 2) ist angemessen gehört worden.
- Die Tatsache, dass die Abberufung vor ihrem rechtskräftigen Abschluss im Kirchlichen Amtsblatt Nr. 1 von Januar 2009 veröffentlicht worden ist, vermag nicht einen so schwerwiegenden Verfahrensfehler zu begründen, dass dieser das gesamte Verfahren unwirksam macht, zumal diese Vorab-Veröffentlichung aus „Versehen“ geschehen und durch die weitere Veröffentlichung im Kirchlichen Amtsblatt Nr. 4/ 2009 korrigiert worden ist.
Damit sind die formellen Voraussetzungen des § 85 PfDG erfüllt.
2.
Die Aufhebung der Pfarrstelle der Klägerin ist ebenso rechtmäßig erfolgt wie die sich daraus ergebende Abberufung der Klägerin gemäß § 84 Abs.1 Nr. 1 PfDG, denn die Abberufung entspricht höherrangigem Recht, wobei auch die „Richtlinien für die Aufhebung von besetzten Pfarrstellen“ eingehalten worden sind.
a) Die Kirchenleitung der Beklagten kann, wie sich aus § 1 Abs. 2 Pfarrstellengesetz ergibt, Pfarrstellen begründen, aber auch – wie hier – aufheben. Aus dem Wortlaut des § 84 Abs. 1 PfDG ergibt sich, dass sie Pfarrstellen aufheben kann und ihr damit bei der Aufhebung einer besetzten Pfarrstelle eine Ermessensbefugnis zusteht. Übt sie dieses Ermessen aus, dann kann die Entscheidung durch die Verwaltungskammer nach § 46 VwGG nur einer eingeschränkten Überprüfung unterliegen. Die von der Beklagten getroffene Entscheidung kann von der Verwaltungskammer nur darauf überprüft werden, ob die rechtlichen Grenzen des Ermessensspielraums verkannt worden sind, ob bei der Beurteilung von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden ist und ob allgemeine Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt worden sind.
Vgl. hierzu die ständige Rechtsprechung der Verwaltungskammer und der staatlichen Verwaltungsgerichte, z.B. Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 31.05.1990, BVerwGE 85, 177/ 180, und vom 18.07.2001, Schütz/ Maiwald, Beamtenrecht, Entscheidungssammlung AII 5.1 Nr. 81.
Soweit die Klägerin rügt, die Abberufung verstoße gegen das Grundgesetz, ist dem entgegen zu halten, dass die Kirchen nach Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 der Weimarer Reichsverfassung ihre eigenen Angelegenheiten regeln, so auch das Dienstrecht, und deshalb weder durch Grundrechte noch durch Europäisches Recht eingeschränkt werden können (vgl. hierzu auch den Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 09.12.2008 – 2 BvR 717/08 –). Der VGH der UEK in der EKD hat in seinem Urteil vom 01.03.2002 – VGH 6/99 – dazu ausgeführt:
„Die Kirchenordnung der Beklagten enthält keine Vorschriften, mit deren Hilfe Bedenken gegen den vom Kläger angezweifelten Regelungszusammenhang (Abberufung ..) erhoben werden können.
… Die Kirche ist nach Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 WRV in der Ausgestaltung ihres Dienstrechts unabhängig, Daraus folgt, dass sie generell weder durch die Grundrechte noch durch hergebrachte Grundsätze des staatlichen Berufsbeamtentums gebunden ist. Soweit davon ausgegangen werden kann, dass dem kirchlichen Dienstrecht durch das staatliche Rechtssystem eine Art Typenzwang vorgegeben sein mag (vgl. dazu v.Campenhausen, Staatskirchenrecht, 1996, S. 293), geht dieser nicht so weit, dass das kirchliche Recht bei der Bestimmung der Dienstrechtstypen im Einzelnen an die entsprechenden Regeln und Festlegungen des staatlichen Rechts gebunden wäre. Dies würde auf eine Übernahmeverpflichtung in Bezug auf staatliches Beamtenrecht hinauslaufen, die mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht zu vereinbaren ist. Folglich geht der Senat davon aus, dass die Kirche zwar in ihrem Dienstrecht an die Leitfigur eines Dienstverhältnisses auf Lebenszeit anknüpfen muss, bei der Bestimmung der Einzelheiten für die Beendigung eines solchen Rechtsverhältnisses jedoch nicht an die Tatbestände des staatlichen Rechts gebunden ist.“
Nach diesen Ausführungen kann ein Pfarrer oder eine Pfarrerin deshalb auch ohne eigenes Verschulden abberufen werden, wenn die nach Kirchenrecht vorgegebenen Tatbestände gegeben sind. Die Entscheidungen des EuGH vom 23.09.2010 – C 425/03 und 1620/03 – betrafen einen z.T. anderen Sachverhalt: so war die Kündigung eines Organisten nach dessen Trennung von der Ehefrau unwirksam, weil seine Persönlichkeitsrechte verletzt waren, im anderen Fall war die Kündigung eines Mormonen-Direktors für Öffentlichkeitsarbeit, der ein außereheliches Verhältnis hatte, rechtens, weil dieser die strengen Treuevorschriften seiner Kirche kannte. In beiden Fällen waren generelle Regelungen und Erwägungen Grundlage der Entscheidung, nicht aber – wie hier – die Überprüfung kirchenrechtlicher Gesetze und Vorschriften.
Auch höherrangiges Kirchenrecht steht dieser Abberufungsregelung nicht entgegen. Der Grundsatz der Unversetzbarkeit des Pfarrers gehört zum einfachen kirchlichen Recht und er steht von vornherein unter dem Vorbehalt gesetzlicher Ausnahmen. Dagegen wird der Grundsatz, dass das Pfarrdienstverhältnis auf Lebenszeit begründet wird, durch die Versetzung in den Warte- oder Ruhestand nicht tangiert; denn das Dienstverhältnis bleibt auch nach einer Abberufung und Versetzung in den Wartestand bestehen.
Auch die am 8. Juni 2006 beschlossenen Richtlinien sind nicht zu beanstanden. Sie gehen zutreffend davon aus, dass nach den gesetzlichen Regelungen des § 1 Abs. 2 Pfarrstellengesetz, § 84 Abs. 1 Nr. 1 PfDG die Aufhebung einer besetzten Pfarrstelle möglich ist. Sie betonen zugleich den Ausnahmecharakter dieser Fälle und geben die Prüfung vor, ob mildere Mittel möglich sind. Sie enthalten des Weiteren Vorgaben für die Ausübung eines Auswahlermessens, wenn bei einer Kirchengemeinde mehrere Pfarrstellen bestehen. Im Rahmen des Auswahlermessens sind gemeindliche Belange, landeskirchliche Belange und auch persönliche Belange des Pfarrers/der Pfarrerin zu berücksichtigen. Zum Verfahren wird dargelegt, dass die Ausschöpfung milderer Mittel sowie die gemeindlichen und die persönlichen Belange des Pfarrers/der Pfarrerin in der Regel durch den Kreissynodalvorstand und das Presbyterium zu ermitteln und nachzuweisen sind. Damit werden sachgerechte Prüfungskriterien vorgegeben.
Von daher ist der Abberufungsbescheid vom 28.10.2008 des Landeskirchenamtes der Beklagten nicht zu beanstanden.
Für die Prüfung entscheidend ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, mithin des Widerspruchsbescheides vom 18.03.2009.
Für alle Klagearten entscheiden die materiell-rechtlichen Rechtsvorschriften im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung darüber, welche Sach- und Rechtslage für die Beurteilung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes maßgeblich sein soll. Bei einer Änderung der Sachlage entscheidet ebenfalls das materielle Recht darüber, ob diese Änderung auf die Rechtmäßigkeitsprüfung eines vor der Sachänderung erlassenen Verwaltungsaktes einwirken soll oder nicht. Für Anfechtungsklagen gilt die Regel, dass aus der Natur des Verwaltungsaktes, die Rechtslage für einen Einzelfall zu konkretisieren, der immer durch die Umstände des jeweiligen Zeitpunktes geprägt ist, zu folgern ist, dass für die Rechtmäßigkeit von eingreifenden Verwaltungsakten grundsätzlich der Zeitpunkt der (letzten) Behördenentscheidung maßgeblich ist und spätere Änderungen nicht zu beachten sind. Dies gilt insbesondere bei Ermessensentscheidungen oder Entscheidungen mit Beurteilungsspielraum,
vgl. Sodan/Ziekow, Kommentar zur VwGO, 3. Auflage, § 113 Randnummer 92 ff.
Diese Grundsätze gelten auch bei beamtenrechtlichen Versetzungs- oder Entlassungsentscheidungen,
vgl. Schnellenbach, Beamtenrecht in der Praxis, 6. Auflage, Randnummer 118 und 184.
Auch die von der Beklagten zitierte Entscheidung des VGH,
Urteil vom 10. Februar 2003 – VGH 2/00 –
geht davon aus, dass der Zeitpunkt der Behördenentscheidung maßgeblich ist.
Der Umstand, dass die 8. Pfarrstelle der Beigeladenen zu 2), die vormals Pfarrer Z. inne hatte, zum 01.10.2010 frei geworden ist, ist mithin schon deshalb für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Abberufungsentscheidung/der Entscheidung über die Aufhebung der Pfarrstelle ohne Bedeutung. Zudem kann aus der Tatsache einer frei gewordenen Pfarrstelle keine Bindung der Beklagten hergeleitet werden, der Klägerin diese Stelle gleichsam automatisch zu übertragen.
Die Aufhebung von bis zu zwei Pfarrstellen ist rechtlich nicht zu beanstanden. Sie findet, wie ausgeführt, ihre gesetzliche Ermächtigung in § 1 Abs. 2 Pfarrstellengesetz. Sie ist zudem entsprechend den von der Kirchenleitung am 8. Juni 2006 beschlossenen Richtlinien ergangen.
Die Aufhebungsentscheidung ist durch die finanzielle Lage der Beigeladenen zu 2) veranlasst. Unterlagen des Rechnungsprüfers des Beigeladenen zu 1) vom 10. März 2008 zeigen aufgrund der Finanzdaten der Beigeladenen zu 2) per 31.12.2007/29.2.2008 für die mittelfristige Finanzplanung der Gemeinde für 2008 ein Defizit von 205.921 Euro auf. Die Defizite für 2009 bis 2012 wurden mit 74.501 Euro, 84.223 Euro, 109.454 Euro und 134.953 Euro angegeben. Der Rechnungsprüfer attestierte unter dem 10. März 2008, dass die mittelfristige Finanzplanung mit ab 2009 steigenden Defiziten bis 2012 plausibel erscheint. Die ab 2009 geltenden Bestimmungen zum Substanzerhalt seien dabei noch nicht berücksichtigt. Die erstellte Schuldenübersicht (Stand 31. Dezember 2007) wies einen Schuldenstand in Höhe von 3.096.115,32 Euro bei einem jährlichen Schuldendienst in Höhe von 164.148,69 Euro auf. Auch bei zeitweilig steigenden Kirchensteuereinnahmen zeigen die genannten Zahlen eine deutliche Einsparnotwendigkeit für die Beigeladene zu 2) auf.
Der Aufhebungsantrag des Beigeladenen zu 1) vom 18.03.2008 weist von der Gemeinde bereits vorgenommene Ausgabenkürzungen aus (Abbau einer Pfarrstelle durch Wechsel des Pfarrstelleninhabers auf eine Krankenhauspfarrstelle 1997; Reduzierung der Zahl der Küsterstellen von 5 auf 3 Stellen, zuletzt 2003; Reduzierung der Zahl der Gemeindeschwesterstellen von 5,8 auf 1,5 Stellen, zuletzt 2006; Reduzierung der Kosten der Kirchenmusikerstelle durch Besetzung mit einer B-Musikerin; Reduzierung der Zahl der hauptamtlichen Jugendleiterstellen von 4,3 auf 3 Stellen, zuletzt 2003; Reduzierung der Zahl der Stellen in der Verwaltung von 8,9 auf 3,95 Stellen bei gleichzeitiger Kooperation mit der Verwaltung des Kirchenkreises; Schließung einer 3-gruppigen Kindertagesstätte 2004/2005; Schließung einer 3-gruppigen Kindertagesstätte zum 1.8.2008; Schließung jeweils einer Kindergartengruppe zum 01.08.1999, 1.8.2007, 1.8.2009; Personalreduzierung im Bereich der Reinigungskräfte und der Wirtschaftskräfte in den Tageseinrichtungen). Diese Ausgabenkürzungen führten jedoch nicht, wie die mittelfristige Finanzplanung zeigt, zu einer Reduzierung der jährlichen Fehlbeträge und sind mithin nicht ausreichend.
Soweit die Klägerin der Auffassung ist, die Finanzlage der Gemeinde lasse sich durch den Verkauf von Immobilien verbessern, ist dies für eine langfristige Konsolidierung des Haushaltes nicht geeignet. Unabhängig davon, dass entsprechend dem Vortrag der Beklagten nach der gegenwärtigen Rechtslage Verkaufserlöse aus Grundstücksverkäufen nicht zum Ausgleich eines Haushaltsdefizits verwandt werden dürfen, sondern dem jeweiligen Vermögen zuzuführen sind, ist es sachgerecht, einen ausgeglichenen Haushalt durch eine langfristige Angleichung der laufenden Ausgaben an die laufenden Einnahmen herzustellen.
Hinsichtlich der Personalkosten der Gemeinde konnte weiter berücksichtigt werden, dass 2007 bei noch 11.920 Gemeindegliedern und sechs Pfarrstellen in der Gemeinde (Verhältnis von 1:1987) eine pfarramtliche Versorgung bestand, die deutlich überdurchschnittlich war. Die Beklagte hat unwidersprochen dargelegt, dass durchschnittlich 2.557 bis 2.715 Gemeindeglieder durch eine Gemeindepfarrerin oder einen Gemeindepfarrer betreut werden. Dieser Durchschnitt würde auch bei Aufhebung nur einer Pfarrstelle der Beigeladenen zu 2) mit 1:2.384 unterschritten. Bei Aufhebung von zwei Pfarrstellen träte mit 1:2.957 zwar eine leichte Überschreitung ein, gleichwohl läge diese Verteilung nach dem unwidersprochenen Vortrag der Beklagten noch im Bereich der Verhältnisse einer Vielzahl von Großstadt-Kirchengemeinden. Für die pfarramtliche Versorgung der Gemeinde sind damit nicht sechs Pfarrstellen notwendig.
Die Klägerin kann dem nicht mit Erfolg entgegenhalten, noch im Jahre 2000 sei in Kenntnis der finanziellen Situation der Gemeinde eine Pfarrstelle nachbesetzt worden. Zum einen erfolgte dies mit Zustimmung auch der Klägerin. Zudem ändert die im Jahre 2000 vorgenommene – möglicherweise fehlerhafte – Rechtfertigung für die Neubesetzung einer damals freien Pfarrstelle nichts an der aufgezeigten Sparnotwendigkeit im Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidungen.
Eine anderweitige Finanzierung bzw. Refinanzierung der Pfarrstellen ist nicht ersichtlich. Der Beigeladene zu 1) hat in seiner Antragsschrift überzeugend und unwiderlegt dargetan, dass verschiedene Refinanzierungsmöglichkeiten versucht worden, aber ohne Erfolg geblieben sind. Auch hinsichtlich anderer Stellen etwa im Schul- oder Krankenhausbereich war zudem letztlich immer die Entscheidung der betroffenen Anstellungskörperschaft von Bedeutung, d.h. selbst bei bestehenden Möglichkeiten mussten die Bemühungen der Beklagten oder der Beigeladenen nicht gleichsam automatisch zum Erfolg führen.
Vor diesem Hintergrund sind mildere Mittel im Sinne der Nr. 1.2 der Richtlinien vom 08.06.2006 nicht erkennbar. Der Klägerin war bereits früher geraten worden, sich um eine andere Pfarrstelle zu bemühen, was auch geschehen, aber erfolglos geblieben ist. Die Refinanzierungsmöglichkeiten sind geprüft und ausgelotet worden, aber ebenfalls ohne Erfolg gewesen. Einsparungen an anderer Stelle der Gemeinde hatten schon stattgefunden, weitere waren offensichtlich ohne Einschränkung der gemeindlichen Aktivitäten nicht vertretbar; andere Pfarrstelleninhaber zu einer Reduzierung des Dienstes zu bewegen, ist vor dem Hintergrund der erforderlichen pfarramtlichen Tätigkeit der einzelnen Bezirke der Gemeinde Q. problematisch und wäre angesichts der finanziellen Lage der Beigeladenen zu 2) nicht ausreichend. Zudem sind – außer der Klägerin und Pfarrer T. – alle übrigen Pfarrer Alleinverdiener, die durch eine Reduzierung der Arbeitszeit unzumutbar getroffen würden. Ferner ist zu berücksichtigen, dass gegenüber der Klägerin schon nach dem 10-Jahres-Gespräch und der Aufforderung, sich eine andere Pfarrstelle zu suchen, ein Abberufungsverfahren unterblieben ist, ihr gegenüber also bereits seit Langem ein milderes Mittel angewandt worden ist.
Auch die getroffene Auswahlentscheidung kann nicht beanstandet werden.
Das Presbyterium der Beigeladenen zu 2) hat in seiner Sitzung vom 22. Januar 2008 in Abwesenheit der Pfarrstelleninhaber/innen beschlossen, den Kreissynodalvorstand zu bitten, bei der Landeskirche die Aufhebung auch der 1. Pfarrstelle der Beigeladenen zu 2) zu beantragen. Dieser Beschluss ist auf der Grundlage der Ergebnisse der Bewertungsbögen erfolgt. Die Fragestellungen der Bewertungsbögen, zu denen Punkte zu vergeben waren, waren sachgerecht und zur Bewertung der Tätigkeit der Klägerin in der Gemeinde geeignet. Wie die Presbyter im einzelnen den Bewertungsbogen ausgefüllt haben und wodurch sie sich haben leiten lassen, die Klägerin - von Pfarrer T. abgesehen - deutlich schlechter als die übrigen Pfarrstelleninhaber zu bewerten, ist nicht von streitentscheidender Bedeutung. Entscheidend ist das für die Klägerin ungünstige Gesamtbild, wonach sie von 700 möglichen Punkten lediglich 376,50 Punkte erreicht hat (Pfarrer T.: 283,07 Punkte, Pfarrer Z.: 425,68 Punkte, Pfarrerehepaar X./Y.: 427,61 Punkte, Pfarrer W.: 438,25 Punkte, Pfarrerehepaar U./V.: 537,04 Punkte).
Unerheblich ist auch, ob alle Aktivitäten der Klägerin in die Bewertung des Presbyteriums eingeflossen sind. Maßgeblich ist, dass im Zeitpunkt der Bewertung das Presbyterium offensichtlich deutlich der Ansicht war, dass bei der gegebenen Situation am ehesten die Pfarrstellen des Pfarrers T. und der Klägerin aufgehoben werden können. Bei alledem ist zudem darauf hinzuweisen, dass die Abberufungstatbestände des § 84 PfDG – ebenso wie die Aufhebungsentscheidung sowie die dabei zu berücksichtigenden Richtlinien – grundsätzlich verschuldensunabhängig sind. Deshalb ist es für die Überprüfung nachrangig, aus welchem Grunde sich in der Gemeinde eine Situation entwickelt hat, die die Aufhebung einer bestimmten Stelle/die Abberufung eines bestimmten Pfarrers rechtfertigt.
Nicht nachvollziehbar ist, warum die Berücksichtigung der persönlichen Belange der Klägerin „absolut fehlerhaft“ sein soll. Denn auch bei der Klägerin sind das Lebensalter und damit ihre sich daraus ergebende schwerere Vermittelbarkeit, ihre Pflegetätigkeit und das Kind in die Punktebewertung erkennbar eingeflossen.
Auch hinsichtlich der dienstlichen und persönlichen Belange sind schon seitens des Beigeladenen zu 1) in der Antragsschrift vom 18.03.2008 und in dem Beschluss der Beklagten vom 28.10.2008 sowie in dem Widerspruchsbescheid ausreichende Gründe abgewogen worden. Soweit die Klägerin bemängelt, die Gemeinde Q. habe kein Gemeindekonzept erstellt, muss sie sich „Leitsätze für die Neustrukturierung der Ev. Kirchengemeinde Q.“ vom 30.05.2006 und das Konzept zum pastoralen Dienst vom 11.03.2005, worauf die Beigeladene zu 2) hingewiesen hat, vorhalten lassen, die eine Reihe von Kriterien einer Gemeindekonzeption beinhalten, für deren formale Abfassung keine festen Vorschriften bestehen.
Nicht von streitentscheidender Bedeutung ist weiter, dass das Presbyterium bei der Erstellung der Bewertungsbögen und der Darstellung der Ergebnisse die Klägerin und die übrigen Pfarrstelleninhaber nicht angehört hat. Eine solche Anhörung ist durch den Kreissynodalvorstand nachgeholt worden. Die Klägerin hatte Gelegenheit, sich schriftlich wie mündlich zu äußern. Der Kreissynodalvorstand wurde aufgrund dieses Vorbringens in die Lage versetzt, sich ein eigenes Bild über die Bedeutung der Bewertungsbögen und die für die Antragstellung notwendigen Belange zu machen.
Seine Entscheidung, den Antrag auf Aufhebung der 1. Pfarrstelle und Abberufung der Klägerin zu stellen, hat der Beigeladene zu 1) mit seiner Antragsschrift vom 18. März 2008 umfangreich und nachvollziehbar begründet. Unter Vorlage ihm dazu zur Verfügung stehender Unterlagen hat er zur finanziellen Situation der Gemeinde, den bereits vorgenommenen Ausgabenkürzungen, zur pfarramtlichen Versorgung, zur Möglichkeit einer Vermeidung der Pfarrstellenaufhebung durch Einsatz milderer Mittel und zur Auswahlentscheidung, welche Pfarrstelle aufzuheben ist, unter Berücksichtigung gemeindlicher, landeskirchlicher und persönlicher Belange der Pfarrstelleninhaber und Pfarrstelleninhaberinnen vorgetragen und die tragenden Erwägungen für seine Entscheidung dargelegt. Die Beweggründe sowie die Auseinandersetzung mit den wechselseitigen Belangen können der Antragsschrift entnommen werden und es ist nicht ersichtlich, dass der Aufhebungsantrag und seine Begründung nicht der Beschlussfassung des Kreissynodalvorstandes entsprechen.
Die Behandlung des Antrages durch das Kollegium des Landeskirchenamtes ist gleichfalls nicht in rechtserheblicher Weise zu beanstanden. Das Kollegium hatte zwar zunächst am 22. April 2008 ohne eigene Anhörung der Beteiligten die Aufhebung der 1. und 3. Pfarrstelle der Beigeladenen zu 2) sowie die Abberufung auch der Klägerin beschlossen. Diesen Beschluss hat es jedoch am 29. April 2008 zur Nachholung der Anhörung wieder aufgehoben. Die Klägerin erhielt sodann Gelegenheit zur ausführlichen schriftlichen Stellungnahme und sie wurde am 16.09.2008 persönlich angehört. Der danach in der Sitzung des Kollegiums des Landeskirchenamtes vom 28. Oktober 2008 gefasste Beschluss zur Aufhebung der 1. Pfarrstelle sowie der Abberufung der Klägerin berücksichtigt das Ergebnis der Anhörung.
Die Aufhebungs- und Abberufungsentscheidung des Kollegiums des Landeskirchenamtes hat auch die Vorgaben der Richtlinien vom 8. Juni 2006 ausreichend und nachvollziehbar berücksichtigt. Die maßgeblichen Umstände wurden eingestellt. Auf der Grundlage der vorliegenden Erkenntnisse und der wechselseitigen Stellungnahmen hat das zuständige Dezernat des Landeskirchenamtes eine Prüfung der Umsetzung der Richtlinien der Kirchenleitung für die Aufhebung von besetzten Pfarrstellen vorgenommen. Es hat sich insbesondere mit der finanziellen Situation der Gemeinde, der Auffassung der Klägerin hierzu, der Beanstandung des Auswahlverfahrens und der Darlegung der persönlichen Belange der Klägerin auseinander gesetzt. Im Widerspruchsverfahren wurde auch das weitere Vorbringen der Klägerin zur Kenntnis genommen. Schloss sich das Kollegium den umfassenden Darlegungen des Dezernates an, machte es sich die Begründung zu Eigen und folgte es den Entscheidungsvorschlägen, so ist dies nicht zu beanstanden.
Der Hilfsantrag zu 1), der im Hinblick darauf, dass die Klägerin zur Zeit als Pfarrerin im Kirchenkreis L. tätig ist und sie nach Wirksamwerden ihrer Abberufung eine mbA-Stelle im Umfang von 100 % erhalten wird, dahin auszulegen ist, dass sie mit diesem Antrag nicht eine Weiterbeschäftigung als Pfarrerin überhaupt, sondern eine Weiterbeschäftigung als Pfarrerin im Bereich der Beigeladenen zu 2) erstrebt, hat – unabhängig von der Frage seiner Zulässigkeit – ebenfalls keinen Erfolg.
Da die 1. Pfarrstelle der Kirchengemeinde Q. zu Recht aufgehoben worden und auch die darauf gestützte Abberufung der Klägerin gemäß § 84 Abs. 1 Nr. 1 PfDG nicht zu beanstanden ist, ist auch der Hilfsantrag zu 1) jedenfalls unbegründet. Denn eine Pflicht zur Weiterbeschäftigung besteht im Hinblick auf die wirksame Abberufung, die auf den Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides vom 18.03.2009 abzustellen war, nicht. § 24 Abs. 3 PfDG sieht die Übertragung einer Pfarrstelle nur insoweit vor, als bei einer Anstellungskörperschaft eine Pfarrstelle eingerichtet ist. Ist diese aufgehoben, kann eine Beschäftigung in dieser Stelle nicht erfolgen.
Auch der als Hilfsantrag zu 2) gestellte Antrag, die Klägerin auf der 8. Pfarrstelle der Evangelischen Kirchengemeinde Q. in P. weiter zu beschäftigen, muss erfolglos bleiben.
Die Klägerin hat insoweit weder einen entsprechenden formalen Antrag an die Beklagte gestellt, der die Weiterbeschäftigung zum Gegenstand hat, sondern dies lediglich im Rahmen des anhängigen Klageverfahrens angefragt, um dann die Klage entsprechend zu erweitern, noch hat die Beklagte einen entsprechenden direkten oder indirekten Antrag abgelehnt.
Der Klägerin steht auch kein Anspruch auf Berufung in die 8. Pfarrstelle der Beigeladenen zu 2) zu, die bis zum 01.10.2010 Pfarrer Z. inne hatte. Da, wie ausgeführt, für die Abberufung der Klägerin auf den Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung vom 18.03.2009 abzustellen ist, ist der Umstand, dass später die 8. Pfarrstelle der Beigeladenen zu 2) frei geworden ist, deshalb für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Abberufungsentscheidung ohne Bedeutung. Weil die Abberufung rechtens war, kommt es auf eine später eintretende Möglichkeit, ein als milder angesehenes Mittel im Sinne der Richtlinien anzuwenden, nicht mehr an. Zudem kann aus der Tatsache einer frei gewordenen Pfarrstelle keine Bindung der Beklagten hergeleitet werden, der Klägerin diese Stelle gleichsam automatisch zu übertragen.
Die Klage war auch bezüglich des Hilfsantrags zu 3) abzuweisen.
Unabhängig von der fehlenden vorherigen Befassung der Beklagten mit diesem Begehren würde eine Berufung der Klägerin in diese Pfarrstelle – von der Frage abgesehen, ob eine Wiederbesetzung zu 100 % überhaupt in Betracht kommt – in das Wahlrecht der Anstellungskörperschaft, der Beigeladenen zu 2), bzw. in die Rechte der Beklagten und in das ihr bei der Besetzung auch von Gemeindepfarrstellen zustehende Ermessen eingreifen und dieses unzulässig einschränken. Sofern der Beklagten das Besetzungsrecht zusteht, ist hierbei auch die tatsächliche Handhabung seitens der Beklagten zu berücksichtigen, im Falle der Ausübung ihres Besetzungsrechtes nur von ihrem Vorschlagsrecht Gebrauch zu machen, weil es wenig Sinn mache, gegen den Willen einer Kirchengemeinde eine Pfarrstelle zu besetzen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 66 Abs. 1, § 71 VwGG, §§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO.