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Kirchengericht:Verwaltungskammer der Evangelischen Kirche im Rheinland
Entscheidungsform:Urteil
Datum:18.12.1995
Aktenzeichen:VK 12/1995
Rechtsgrundlage:9 Abs. 1 und 3 PrüfO; § 4 Abs. 4 Satz 2 PrüfO
Vorinstanzen:keine
Schlagworte:Zweite Theologische Prüfung
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Leitsatz:

  1. Wird die Notengebung nach oben durch den Erstprüfer („befriedigend“) und nach unten durch den Zweitprüfer („mangelhaft“) begrenzt (§ 4 Abs. 4 Satz 2 PrüfO), ist eine bessere Benotung durch den Drittprüfer nur denkbar, wenn die Note des Erstprüfers beanstandet wird.
  2. Ob eine erbrachte Leistung den Anforderungen einer Prüfungsarbeit entspricht, ist eine Fachfrage, die dem Beurteilungsspielraum des Prüfers unterliegt und von der Kammer nicht überprüfbar ist.
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Tenor:

Der Antrag wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gebühren- und auslagenfrei.
Die außergerichtlichen Kosten trägt jede Partei selbst.
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Tatbestand

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Der Antragsteller bestand die Erste Theologische Prüfung am 11.9.1991 mit dem Gesamtergebnis „gut“. Nach Ableistung des Vikariats legte er die Zweite Theologische Prüfung ab, die er am 15.3.1995 mit der mündlichen Prüfung abschloß. Hierbei erzielte er das Gesamtergebnis „befriedigend“ (Notendurchnitt 2,94).
Das Thema der Wissenschaftlichen Hausarbeit lautete:“ Die Wiederentdeckung der Engel und ihre Bedeutung in der neueren systematischen Theologie“. Die Arbeit wurde vom Erstprüfer mit „ausreichend“, vom Zweitprüfer mit „mangelhaft“, vom Drittprüfer mit „ausreichend“ beurteilt. Die Predigt über Joh. 12, 20-26 wurde vom Erstprüfer mit „befriedigend“, vom Zweitprüfer mit „mangelhaft“, vom Drittprüfer mit „befriedigend“ beurteilt. Das Praxisprojekt aus dem Handlungsfeld Erwachsenenbildung stand unter dem Thema „Hilfe – Ich muß Kinder christlich erziehen! Weiterbildung für Erzieherinnen im Kirchenkreis“. Die Leistung beurteilte der Erstprüfer mit „ausreichend“, der Zweitprüfer mit „befriedigend“, der Drittprüfer mit „ausreichend“.
Der Antragsteller legte am 20.3.1995 gegen das Prüfungsergebnis Widerspruch beim Beschwerdeausschuß für die Theologischen Prüfungen der Evangelischen Kirche im Rheinland ein. Er beanstandete die Beurteilung der Wissenschaftlichen Hausarbeit, der Predigt und des Praxisprojekts. Bei der Wissenschaftlichen Arbeit seien alle drei Prüfer zu Unrecht von einer eigenmächtigen Veränderung des gestellten Themas ausgegangen. Der Antragsteller meinte, daß er das Thema korrekt entsprechend dem Wortlaut behandelt habe, nämlich bezogen auf die theologische Bedeutung der Engel und nicht auf die Bedeutung der Wiederentdeckung der Engel. Bei der Predigt hielt der Antragsteller die Kritik des Zweitprüfers am Literaturverzeichnis für unbegründet, ebenso die Forderung, einen unveränderten Luthertext zu verlesen, ferner die Kritik an seiner Auslegung des Begriffs des ewigen Lebens; auch die Kritik an seinem theoretischen Predigtansatz hielt er für unbegründet. Beim Praxisprojekt hätten der Erstprüfer und der Drittprüfer seinen Ansatz der evangelischen Erwachsenenbildung, nämlich Teilnehmerorientierung, verkannt, den er in der theoretischen Grundlegung genannt habe. Die vom Erstprüfer vermißten „sachdidaktischen Begründungen“ seien ihm in der Ausbildung nicht begegnet, deshalb kämen sie in seiner Arbeit in der Tat nicht vor.
Der Beschwerdeausschuß wies mit Beschluß vom 22.5.1995 den Widerspruch zurück. Er hält die Beurteilung aller drei beanstandeten schriftlichen Arbeiten für rechtsfehlerfrei; die Prüfer hätten die erteilten Noten ausführlich und folgerichtig begründet. Die Beurteilung des Praxisprojekts schränke den Lösungsspielraum des Antragstellers nicht unzulässig durch eigene Auffassung des Prüfers ein. Die vom Antragsteller vorgenommene Einengung des Themas der schriftlichen Arbeit auf die theologische Bedeutung der Engel sei mit dem Wortlaut der Aufgabenstellung nicht vereinbar.
Der Antragsteller hat gegen den ihm am 16.6.1995 zugestellten Beschluß des Beschwerdeausschusses am 12.7.1995 die Verwaltungskammer angerufen. Er macht geltend, daß der Beschwerdeausschuß im Fall des Praxisprojekts unbegründet und pauschal das Gegenteil des von ihm Vorgetragenen behaupte, daß der Beschwerdeausschuß die Kritik an der Predigt ganz übergehe und sich bei der Auslegung des Themas der Wissenschaftlichen Hausarbeit über grammatikalische Grundregeln hinwegsetze. Seine Auslegung des Themas der Hausarbeit begründet er nochmals im einzelnen. Die Formulierung des Themas sei zumindest mehrdeutig und er habe sich für eine, von ihm näher begründete Auslegung entschieden. Nachdem er die Prüfungsakten eingesehen hat, beanstandet er in einem nachgereichten Schriftsatz vier Bemerkungen des Prüfers B (Zweitprüfer) zur theologischen Seite der Wissenschaftlichen Hausarbeit. Wegen der Beurteilung der Predigt vertieft der Antragsteller seine Kritik im Einspruch. Dem Prüfer B wirft er vor, daß er Positionen beanstande, die er gar nicht vertreten habe. Wenn der Prüfer meine, daß solche Hörer, die die von ihm vertretene Predigttheorie nicht kennen, vom Predigtschluß sehr unbefriedigt sein müßten, so könne der Prüfer dies nur in Unkenntnis der Gemeinde behaupten, in der der Antragsteller als Vikar tätig war; die Rückmeldungen aus der Gemeinde seien durchaus positiv. Zur Beurteilung des Praxisprojekts trägt der Antragsteller ergänzend vor: Wenn der Prüfer A inhaltliche Lernziele vermisse, so könne er diese nach seinem Ansatz der Erwachsenenbildung nicht vorgeben, sondern müsse sie mit den Teilnehmern erarbeiten. Die vom Prüfer C geforderte Analyse des Kirchenkreises sei im vorgegebenen Rahmen der Prüfungsarbeit nicht möglich. Der Prüfer C, der das Fehlen einer theologischen Reflexion der Position de Erwachsenenbildung im Verhältnis zur heutigen Kindererziehung beanstande, verwechsele die erforderliche Reflexion über die Teilnehmer (Erzieherinnen) mit der über das Thema (Kindererziehung); letzteres habe mit der Frage der evangelischen Erwachsenenbildung nichts zu tun.
Der Antragsteller beantragt,
die Entscheidung des Antragsgegners vom 15.3.1995 sowie den Beschluß des Beschwerdeausschusses vom 22.5.1995 aufzuheben und den Antragsgegner zu verpflichten über das Ergebnis der Zweiten Theologischen Prüfung unter Beachtung der Rechtsauffassung der Verwaltungskammer neu zu entscheiden.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Nach seiner Ansicht hat der Beschwerdeausschuß den Widerspruch des Antragstellers zutreffend und ausreichend begründet zurückgewiesen, die Kriterien der Prüfer widersprächen nicht der Prüfungsordnung. Bei der Beurteilung des Praxisprojekts hätten die Prüfer den Lösungsspielraum des Antragstellers nicht unzulässig eingeschränkt. Der Auslegung des Themas der Wissenschaftlichen Hausarbeit durch den Antragsteller müsse widersprochen werden: grammatikalisch könne sich das Wort „Bedeutung“ nur auf die Wiederentdeckung der Engel, nicht aber auf die Engel beziehen.
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Gründe:

Die Verwaltungskammer ist form- und fristgerecht angerufen worden. Der Antragsteller ist auch beschwert. Er macht Rechtsverletzungen geltend, die das Gesamtergebnis der Prüfung bestimmt haben könnten (§ 9 Abs. 1 und 3 Prüfungsordnung für die Erste und Zweite Theologische Prüfung in der Evangelischen Kirche im Rheinland vom 24.5.1984 [KABl. RS 113] – PrüfO –). Diese Vorschrift schränkt nicht nur das Widerspruchsverfahren, sondern im Ergebnis auch den kirchlichen Verwaltungsrechtsweg ein, da die Anrufung der Verwaltungskammer einen zulässigen Widerspruch (§ 10 Abs. 3 Satz 1 VwKG) voraussetzt. Vorliegend kann nicht ausgeschlossen werden, daß der Prüfungsausschuß bei Neubeurteilung der beanstandeten drei schriftlichen Prüfungsleistungen (wissenschaftliche Hausarbeit, Predigt, Praxisprojekt) die Einzelergebnisse um ein oder zwei Noten verbessert hätte. Eine Verbesserung in zwei Fällen um eine, in einem Fach um zwei Noten ergibt einen Notendurchschnitt von 2,44 mit dem Gesamtergebnis „gut“. Diese Möglichkeit scheint nicht ausgeschlossen, denn der Antragsteller hat im mündlichen Teil der Prüfung mehrfach überdurchschnittliche Leistungen erzielt.
Der Antrag ist jedoch unbegründet. Die fachliche Beurteilung der Hausarbeit durch den Prüfungsausschuß und den Beschwerdeausschuß ist nicht zu beanstanden. Der Antragsteller kann nicht mit Erfolg geltend machen, daß die Auslegung, die er dem Thema gegeben hat, vertretbar sei. Zutreffend halten alle drei Prüfung die Auslegung durch den Antragsteller für eine eigenmächtige Veränderung des Themas. Das Thema besteht aus den beiden Teilen „Wiederentdeckung der Engel“ und „ihre Bedeutung in der neueren systematischen Theologie“, gefordert wird damit die Darlegung des Sachverhalts und dessen theologische Interpretation. Der Sachverhalt „Wiederentdeckung der Engel“ ist unmißverständlich formuliert und schließt objektiv aus, daß der Kandidat sich theologisch (nur) mit der allgemeinen Angelogie, nicht aber dem aktuellen Phänomen der „Wiederentdeckung“ der Engel beschäftigt. Der dritte Prüfer, dessen Urteil für die Notengebung ausschlaggebend ist, stellt das im Thema der Hausarbeit klar umschriebene Phänomen in einen Zusammenhang mit der „Transzedenzerfahrung der Postmoderne“. Diesen systematischen Standort sieht auch der Antragsteller in seiner Hausarbeit (Einleitung, unter 2 a), grenzt in seiner Bearbeitung aber die Fragestellung aus (nur noch einmal als Exkurs S. 22 unter 5.1). Gegenstand und Aktualität der Fragestellung sind auch für den Laien nachvollziehbar. Zutreffend stellt der dritte Prüfer fest, daß mit der Verengung des Themas auf die „Bedeutung der Engel“ die Hälfte des Themas ausgeklammert worden sei. Zum selben Ergebnis kommt der Beschwerdeausschuß. Dieses fachliche Urteil ist für die Verwaltungskammer nachvollziehbar, da es sich um die Auslegung der Prüfungsaufgabe nach allgemeinen Denkgesetzen handelt. Wenn der Antragsteller in der mündlichen Verhandlung nochmals geltend gemacht hat, daß die Untersuchung über die „Bedeutung der Engel“ notwendige Voraussetzung für eine Aussage über die „Bedeutung der Wiederentdeckung der Engel“ sei, so verkennt er, daß das Thema der Arbeit die Frage der Bedeutung der Engel im Rahmen des Phänomens der „Wiederentdeckung“ als positiv entschieden voraussetzte und in dieser Vorfrage eindeutig nicht den Schwerpunkt sah. Die vom Antragsteller gewählte Lösung der Aufgabe ist nach allem nicht vertretbar und rechtfertigt das Urteil der Prüfer. Soweit der Antragsteller weitere Prüfungsbemerkungen des Prüfers B zu seiner Hausarbeit, besonders zur „theologischen Seite der Aufgabenstellung“, kritisiert, teilt auch der Drittprüfer im wesentlichen die Kritik, sieht allerdings einen Ausgleich vor allem im Abschnitt 4 der Prüfungsarbeit. Da die Beurteilung des Drittprüfers für die Note ausschlaggebend ist (§ 4 Abs. 4 PrüfO), kann dahingestellt bleiben, ob die Einwendungen des Antragstellers gegen die Prüfungsbewertung durch den Prüfer B in diesen Punkten berechtigt sind.
Die Einwendung des Antragstellers gegen die Beurteilung der Predigt richtet sich in der Begründung seines Widerspruchs und seines Antrages an die Verwaltungskammer gegen die Feststellungen des Zweitprüfers (Prüfer B). Dessen Urteil ist aber nicht ursächlich für die Note der Prüfungsleistung „Predigt“. Ausschlaggebend ist die Note des Drittprüfers (§ 4 Abs. 4 Satz 2 PrüfO). Dieser wurde in seiner Notengebung nach oben durch den Erstprüfer („befriedigend“) und nach unten durch den Zweitprüfer („mangelhaft“) begrenzt (§ 4 Abs. 4 Satz 2 PrüfO). Eine bessere Benotung durch den Drittprüfer wäre daher nur denkbar, wenn die Note des Erstprüfers zu beanstanden wäre. Dazu hat der Antragsteller nichts Sachdienliches vorgetragen.
Auch die Einwendungen des Antragstellers gegen die Beurteilung des Praxisobjekts sind unbegründet. Wenn der Antragsteller geltend macht, daß die Prüfer A und C das Fehlen inhaltlicher Lernziele zu Unrecht beanstandet hätten, da er in der Arbeit das methodische Prinzip, inhaltliche Ziele nur in Zusammenarbeit mit den Teilnehmern festzulegen, vertreten habe, so verkennt er das Wesen einer Prüfungsarbeit. Damit der Unterrichtsentwurf nachvollziehbar ist, muß der Antragsteller eine von ihm für richtig gehaltene und angestrebte oder eine fiktiv mit den Teilnehmern gemeinsam gefundene Zielvorstellung zugrunde legen. Diese Grundlage der ganzen Unterrichtsarbeit durfte er aber nicht offen oder überhaupt unerwähnt lassen, denn sie ist für einen sinnvollen Unterricht unverzichtbar. Der Begriff „sachdidaktisch“, dem der Antragsteller in der Ausbildung nicht begegnet sein will, versteht sich aus sich heraus; Didaktik ist die Grundlage jedes pädagogischen Handelns, der Begriff wird in allen pädagogisch-theologischen Lehrveranstaltungen behandelt und ist in der Praxis konkret, d.h. an der Sache, orientiert. Die Verwendung des Begriffs in der theologischen Prüfung ist auch für einen Laien nachvollziehbar. Ob die Darstellung des Kirchenkreises in der Arbeit (S. 4) den Anforderungen einer Prüfungsarbeit entspricht, ist eine Fachfrage, die dem Beurteilungsspielraum des Prüfers unterliegt und von der Kammer nicht überprüfbar ist. Diese Kritik der Prüfer A und C hat im übrigen bei der Prüfungsbeurteilung nur marginale Bedeutung, ein anders Urteil hätte das Prüfungsergebnis schwerlich verändert. Gleiches gilt für die Feststellung des Prüfers C, der in der Arbeit des Antragstellers eine theologische Reflexion über die Position der Erwachsenenbildung in ihrem Verhältnis zur heutigen Kindererziehung vermißt. Die Kammer brauchte dieser, bei der Behandlung einer Unterrichtseinheit als Prüfungsaufgabe in der Tat sehr weitreichenden Forderung nicht – etwa durch Einholung eines Sachverständigengutachtens – nachzugehen, weil die Kritik nicht ursächlich für das Gesamtergebnis ist. Selbst wenn diese Prüferbemerkung wegen Überschreitens des Prüferspielraums unberücksichtigt bleiben müßte, hätte das allein erkennbar keinen Einfluß auf die Beurteilung der Prüfungsleistung „Praxisprojekt“ durch den Prüfer, schon gar nicht auf das Gesamturteil der Prüfung, das aus 16 Prüfungsleistungen gebildet ist und das sich erst bei Änderung von allen drei der vom Antragsteller beanstandeten Prüfungsergebnisse ändern könnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 29 VwKG.