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Kirchengericht:Verwaltungskammer der Evangelischen Kirche im Rheinland
Entscheidungsform:Urteil
Datum:03.05.2004
Aktenzeichen:VK 17/2003
Rechtsgrundlage:§§ 84 Abs. 1 Nr. 2, 85 Abs. 1 PfDG
Vorinstanzen:keine
Schlagworte:Abberufung, Ermessen, Fürsorgepflicht, gedeihliches Wirken
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Leitsatz:

Die Abberufung wegen der fehlenden Gewährleistung eines gedeihlichen Wirkens in der Pfarrstelle ist wegen der Schwere des Eingriffs in die Rechtsstellung der bzw. des unbefristet in die Gemeindepfarrstelle gewählten und damit grundsätzlich unversetzbaren Pfarrerin bzw. Pfarrers an strenge Voraussetzungen geknüpft. Das „gedeihliche Wirken“ ist dabei an den Maßstäben der Kirchenordnung (KO), hier insbesondere an Artikel 68 Satz 3, 72 Abs. 2, 83 Abs. 1 Satz 1, 104 Abs. 1 KO a.F., zu messen.
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Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Die Revision wird nicht zugelassen.
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Tatbestand

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Der 1957 geborene Kläger wurde 1987 ordiniert. Nach Jahren als Pastor im Hilfs- bzw. Sonderdienst war er von 1989 bis 1991 Inhaber der 5. Pfarrstelle der Kirchengemeinde F., Kirchenkreis J.. Dort trat er auf eigenen Antrag in den Wartestand.
1992 erhielt der Kläger einen Beschäftigungsauftrag in der Kirchengemeinde G., Kirchenkreis K., der Beigeladenen zu 2.), 1993 wurde er in die 2. Pfarrstelle der Kirchengemeinde gewählt. Es handelt sich dabei um eine Innenstadtgemeinde mit breitem Spektrum an Aufgaben. Sie verfügte ursprünglich über fünf Pfarrstellen. Im Rahmen eines Konsolidierungsprozesses im Kirchenkreis K. wurden nachfolgend zwei Pfarrstellen aufgehoben.
Das Presbyterium wurde bis Februar 2002 maßgeblich von einem so genannten „Geschäftsführenden Ausschuss“ geleitet, dem neben dem Vorsitzenden des Presbyteriums und seinem Stellvertreter der Finanzkirchmeister und der Baukirchmeister angehörten. Der Vorsitz im Presbyterium wurde abwechselnd von den Pfarrern/Pfarrerinnen der Gemeinde wahrgenommen.
Im Jahre 2002 wurden Schwierigkeiten in der Dienstgemeinschaft der Gemeinde deutlich. Der Vorsitzende des Presbyteriums und des Geschäftsführenden Ausschusses, Pfarrer P., trat von seinen Vorsitzendenaufgaben zurück und verließ die Gemeinde. Nachfolgend legten auch die übrigen Mitglieder des Geschäftsführenden Ausschusses, die Herren X., Dr. Y. und Z., ihre Ämter nieder.
Das Presbyterium fasste in seiner Sitzung vom 21.05.2002 folgenden Beschluss:
Das Presbyterium beauftragt mit zwölf Ja-Stimmen und zwei Nein-Stimmen Herrn Pfarrer H., das Gespräch mit dem Vizepräses V. und der Superintendentin, vertreten durch den Assessor, zu suchen.
Nachfolgend fanden Gespräche des Kreissynodalvorstandes und des Landeskirchenamtes mit dem Kläger statt, die – überwiegend erfolglos – der Klärung von Meinungsverschiedenheiten sowie aufgetretener Probleme und ihrer Klärung bzw. Lösung dienen sollten.
In seiner Sitzung vom 07.11.2002 beschloss das Presbyterium bei 13 Ja-Stimmen, vier Gegenstimmen und einer Enthaltung, bei der Kirchenleitung die Abberufung des Klägers gem. § 84 Abs. 1 Nr. 2 Pfarrdienstgesetz zu beantragen, da ein gedeihliches Wirken des Klägers in der Pfarrstelle nicht mehr gegeben sei. Die Superintendentin des Beigeladenen zu 1.) sprach daraufhin mit Schreiben vom 12.11.2002 die vorläufige Beurlaubung des Klägers gem. Artikel 163 Abs. 3 der Kirchenordnung ab dem 12.11.2002 aus. Der Kläger widersprach mit Schreiben vom 18.11.2002 der Beurlaubung. Mit Schreiben vom 22.11.2002 teilte das Landeskirchenamt dem Kläger daraufhin mit, das Kollegium des Landeskirchenamtes habe in seiner Sitzung vom 19.11.2002 beschlossen, ihn mit sofortiger Wirkung gem. § 86 Pfarrdienstgesetz zunächst bis zum 28.02.2003 zu beurlauben, da aufgrund seines Verhaltens während der letzten Monate davon auszugehen sei, dass er in seinem Dienst verstärkt Spaltungen in der Kirchengemeinde zwischen Gemeindegruppen, dem Presbyterium und der Mitarbeiterschaft betreiben werde. Der Kläger trat der Beurlaubung mit Schreiben vom 28.11.2002 mit dem Vortrag entgegen, es sei weiterhin unklar, welche konkreten Verfehlungen ihm vorgeworfen würden und der Vorwurf der Spaltung sei absurd.
In seiner Sitzung vom 25.11.2002 beschloss das Presbyterium einstimmig in Ergänzung seines Beschlusses vom 07.11.2002 eine Begründung, wonach dem Kläger eine mangelnde Identifikation mit der Gemeinde, Kommunikationsmängel gegenüber dem Presbyterium, die Verstärkung von Zwiespalt in der Gemeinde statt Aufklärung und mangelnde Zuverlässigkeit vorgeworfen wurden. Versuche einer gütlichen Regelung und Einigung seien gescheitert. Ein gedeihliches Wirken sei nicht mehr gegeben.
Am 05.12.2002 beriet der Kreissynodalvorstand des Beigeladenen zu 1.) über einen Antrag, auf der Grundlage der Beschlüsse des Presbyteriums der Beigeladenen zu 2.) vom 07. und 25.11.2002 sowie eigener Einschätzung, dass ein gedeihliches Wirken in der Pfarrstelle nicht mehr möglich sei, gem. § 84 Abs. 1 Nr. 2 Pfarrdienstgesetz bei der Kirchenleitung die Abberufung des Klägers zu beantragen. Bei drei Ja-Stimmen, einer Gegenstimme und zwei Enthaltungen kam kein Beschluss zustande.
Nachdem weitere Bemühungen um eine einvernehmliche Regelung gescheitert waren, beschloss der Kreissynodalvorstand sodann am 24.02.2003 einstimmig, den Antrag des Presbyteriums der Beigeladenen zu 2.) auf Abberufung des Klägers durch die Kirchenleitung zu befürworten und zu unterstützen.
Mit auf § 84 Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 85 Abs. 1 Pfarrdienstgesetz und § 3 f) der Dienstordnung für das Landeskirchenamt gestütztem Bescheid vom 28.02.2003 berief das Landeskirchenamt den Kläger daraufhin aus seiner Pfarrstelle mit Ablauf des Monats, in dem die Entscheidung unanfechtbar wird, ab. Gleichzeitig beurlaubte es den Kläger gem. § 86 Abs. 1 Pfarrdienstgesetz mit sofortiger Wirkung von seinen Dienstgeschäften, zunächst für die Dauer von drei Monaten. Aufgrund Beschlusses des Landeskirchenamtes in seiner Sitzung vom 27.05.2003 wurde die Beurlaubung sodann bis zum Abschluss des Abberufungsverfahrens verlängert. Das Landeskirchenamt begründete die Abberufung damit, ein gedeihliches Wirken des Klägers in der Pfarrstelle erscheine nicht mehr gewährleistet und unter Abwägung aller Umstände komme die Abberufung als einziges Mittel in Betracht, um mit der entstandenen Konfliktlage umzugehen.
Mit seinem Widerspruch setzte sich der Kläger mit den Einzelfällen auseinander, die in dem beanstandeten Bescheid zur Begründung der Annahme, ein gedeihliches Wirken sei nicht mehr gewährleistet, aufgeführt waren. Wegen der weiteren Einzelzeiten wird auf seinen Schriftsatz vom 22.04.2003 verwiesen.
Nach Einholung einer Stellungnahme des Presbyteriums („Arbeitspapier zum Widerspruch gegen die Abberufung von Herrn Pfarrer H.“), auf die verwiesen wird, wies der Beschwerdeausschuss der Kirchenleitung den Widerspruch mit Bescheid vom 08.07.2003 zurück. Zur Begründung führte er im wesentlichen aus, die schriftlichen Ausführungen des Presbyteriums über Vorkommnisse in der Gemeinde deckten sich mit dem Bild, das die Vertreter des Landeskirchenamtes in ihren zahlreichen Gesprächen mit Presbyteriumsmitgliedern und dem Presbyterium im ganzen gewonnen hätten, und es dränge sich der Eindruck auf, dass das Presbyterium bis auf eine oder zwei Ausnahmen die Zusammenarbeit mit dem Kläger als unzumutbar empfinde. Auch wenn die Konfliktsituation nicht in allen Bereichen der Gemeinde zum Ausdruck komme, müsse dennoch festgestellt werden, dass die Zerrüttung eine Dimension umfasse, die ein gedeihliches Wirken in der Pfarrstelle nicht mehr möglich erscheinen lasse.
Der Kläger hat am 06.08.2003 Klage erhoben. Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, Missstände in der Gemeinde könnten ihm nicht angelastet werden. Der Geschäftsführende Ausschuss des Presbyteriums sei im April 2002 nicht seinetwegen, sondern wegen Problemen in der Zusammenarbeit mit dem Presbyterium zurückgetreten. Zu Unrecht werde ihm eine mangelnde Identifikation mit der Gemeinde vorgeworfen. Vielmehr sei sein überzeugter Einsatz für gemeindliche Institutionen und Einrichtungen wie „die Grünen Damen“ der Grund gewesen, der die Mitglieder des Geschäftsführenden Ausschusses von Zeit zu Zeit gegen ihn aufgebracht habe. Die Gemeindeveranstaltungen besuche er nicht unregelmäßig und desinteressiert. Soweit ihm vorgeworfen werde, an vier Terminen nicht teilgenommen zu haben, sei dies in zwei Fällen durch Urlaub und im Übrigen mit Blick auf seinen vollen Terminkalender gerechtfertigt gewesen. Den Kinder- und Jugendausschuss habe er hinreichend betreut. Vorgänge um den „Gemeindebus“ könnten nicht als Beleg dafür dienen, dass er Presbyteriumsbeschlüsse nicht ausführe und „mangelnde Kommunikationsfähigkeit“ aufweise. Nur dank seiner Zusammenarbeit mit zwei Presbyteriumsmitgliedern sei ein Lösungsvorschlag für den weiteren Transport von Gemeindegliedern erreicht worden. Auch im Zusammenhang mit der Vermietung einer gemeindeeigenen Wohnung habe er Presbyteriumsbeschlüsse ausgeführt und auf die sich stellenden Probleme ausreichend hingewiesen. Der Vorwurf eines unzureichend vorbereiteten Gemeindefestes werde zu Unrecht erhoben, da er das ihm Mögliche getan habe und er im Übrigen erkrankt gewesen sei. Aus der Verantwortung der Gemeinde habe er sich nicht zurückgezogen. Er habe sich nie geweigert, den Vorsitz des Presbyteriums zu übernehmen. Er sei vielmehr davon ausgegangen, dass ein Presbyteriumsmitglied entsprechend bekundeter Bereitschaft den Vorsitz übernehmen wollte. Statt der Befürchtung, ein Großteil der Presbyter werde bei seinem Verbleib in der Gemeinde zurücktreten, sei im Gegenteil festzustellen, dass bereits zwei Presbyterinnen in Folge der Abberufung zurückgetreten seien und ein weiterer sein Amt einstweilen ruhen lasse. Die Abberufung stelle entgegen den Ausführungen im Widerspruchsbescheid auch nicht das mildeste Mittel dar, weil verschiedene Mediationsversuche und Kompromisslösungen von ihm nicht angenommen worden seien. Die vom Landeskirchenamt vorgesehenen vermeintlichen Kompromisse seien lediglich verzögerte Abberufungen gewesen. Jahrelang habe er gezeigt, dass er zu einer kollegialen Zusammenarbeit fähig sei. Wenn nunmehr etwas anderes behauptet werde, liege dies daran, dass Pfarrerin S. seit ihrer Bestellung zur Superintendentin glaube, ein persönliches Problem mit ihm zu haben. Entgegen einem nicht konkretisierten Vorwurf habe er nicht einige Mitarbeiter bevorzugt bzw. benachteiligt. Auch der Vorwurf, eine konstruktive Zusammenarbeit mit den Leitungen der drei Kindergärten verhindert zu haben, bestehe zu Unrecht. Der Vorwurf werde offensichtlich erhoben, weil eine von ihm durchzuführende Erhebung gezeigt habe, dass die entsprechende Einrichtung im Bezirk von Frau S. entgegen ihrer Vorstellung keinen erhöhten Personalbedarf gehabt habe. Auch wenn er im Rahmen von Beschlussfassungen des Presbyteriums zu Weilen anderer Meinung gewesen sei, habe er die Beschlüsse nach Außen stets vertreten. Nicht sein Verhältnis zur Gemeinde oder zum Großteil des Presbyteriums sei gestört, sondern letztlich gehe es um Probleme innerhalb des Presbyteriums. Seine Wertschätzung durch Gemeindeglieder sei anhand zahlreicher Beispiele belegbar. Die vermeintlichen Schwierigkeiten hätten erst mit dem Einsatz von Frau S. als Superintendentin begonnen. Deren Motive seien aber offensichtlich eher persönlicher als fachlicher Art.
Der Kläger beantragt,
den Abberufungsbescheid des Landeskirchenamtes vom 28.02.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides des Beschwerdeausschusses der Kirchenleitung der Beklagten vom 08.07.2003 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf die Begründung der angefochtenen Bescheide und führt ergänzend im Wesentlichen aus:
Die Konfliktsituation beschränke sich in keiner Weise auf die Personen des Klägers und der Superintendentin S.. Die umfangreichen Stellungnahmen des Presbyteriums sowie die eigenen Gespräche der Ortsdezernenten und der Vertreter des Kreissynodalvorstandes – in Abwesenheit von Frau S. – hätten überaus deutlich gemacht, dass gerade in den leitenden Organen der Kirchengemeinde eine gedeihliche Zusammenarbeit mit dem Kläger unmöglich geworden sei. Die Tatsache, dass bereits Mitglieder des Presbyteriums zurückgetreten seien, könne nicht darüber hinwegtäuschen, dass andernfalls das gesamte übrige Presbyterium zurückgetreten wäre.
Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.
In der mündlichen Verhandlung vom 03.05.2004 ist die Sache zur Ermöglichung einer außergerichtlichen Regelung vertagt worden. Gleichzeitig haben die Beteiligten auf erneute mündliche Verhandlung verzichtet.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Übrigen wird ergänzend auf die Akte der Verwaltungskammer und die eingereichten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
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Gründe:

Die Verwaltungskammer konnte mit Einverständnis der Beteiligten ohne weitere mündliche Verhandlung entscheiden, § 37 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsgesetz ( VwGG).
Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid des Landeskirchenamtes vom 28.02.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides des Beschwerdeausschusses der Kirchenleitung der Beklagten vom 08.07.2003 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Rechtsgrundlage für die Abberufung im hier maßgeblichen Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides sind die §§ 84 Abs. 1 Nr. 2, 85 Abs. 1 Pfarrdienstgesetz ( PfDG). Danach können Pfarrerinnen und Pfarrer im Interesse des Dienstes aus ihrer Pfarrstelle abberufen werden, wenn ein gedeihliches Wirken in der Pfarrstelle nicht mehr gewährleistet erscheint. Über die Abberufung beschließt dabei die Kirchenleitung auf Antrag des Leitungsorgans der Anstellungskörperschaft, bei Gemeindepfarrern auch des Kreiskirchenrates (Kreissynodalvorstand).
Hier hat die Kirchenleitung über die Abberufung entschieden. Dies erfolgte auf Antrag des Presbyteriums der Beigeladenen zu 2., also auf Antrag des Leitungsorgans der Anstellungskörperschaft, und der Kreissynodalvorstand hat der Abberufung zugestimmt. Auch sonst liegen keine Verstöße gegen Form und Verfahren der Abberufung vor.
Die Beklagte ist bei der Abberufung des Klägers im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass aufgrund der vorliegenden Verhältnisse ein gedeihliches Wirken des Klägers in der Pfarrstelle nicht mehr als gewährleistet erscheint. Diese Frage unterliegt der uneingeschränkten gerichtlichen Überprüfung (Urteil der Verwaltungskammer der Evangelischen Kirche von Westfalen vom 06.05.1989 – VK 2/1988 – Rechtsprechungsbeilage zum Amtsblatt der Evangelischen Kirche in Deutschland – ABl.EKD – 1991, 13 unter Bezugnahme auf das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs der Evangelischen Kirche der Union vom 27.02.1984 – VGH 48/1983 –, Rechtsprechungsbeilage zum ABl.EKD 1985, S. 8).
Die Abberufung wegen der fehlenden Gewährleistung eines gedeihlichen Wirkens in der Pfarrstelle ist wegen der Schwere des Eingriffs in die Rechtsstellung des unbefristet in die Gemeindepfarrstelle gewählten und damit grundsätzlich unversetzbaren Klägers an strenge Voraussetzungen geknüpft. Das „gedeihliche Wirken“ ist dabei an den Maßstäben der Kirchenordnung (KO), hier insbesondere an Artikel 68 Satz 3, 72 Abs. 2, 83 Abs. 1 Satz 1, 104 Abs. 1 KO a.F., zu messen.
Nach Artikel 68 Satz 3 KO obliegt dem Pfarrer „in Gemeinschaft mit den anderen Mitgliedern des Presbyteriums“ die Leitung der Kirchengemeinde. Gem. Artikel 72 Abs. 2 KO stehen Pfarrer in der geschwisterlichen Gemeinschaft des Presbyteriums, der Mitarbeitenden ihrer Kirchengemeinde und der Pfarrerinnen und Pfarrer im Kirchenkreis. Sie sollen Mahnung und Hilfe willig annehmen. Auch Artikel 83 Abs. 1 Satz 1 und 104 Abs. 1 KO betonen die gemeinsame Verantwortung der Pfarrerinnen und Pfarrer sowie der übrigen Mitglieder des Presbyteriums. Die genannten Artikel zeigen, dass ein „gedeihliches Wirken“ ein gemeinsames Wirken voraussetzt.
Nach der Rechtsprechung verschiedener kirchlicher Gerichte und auch der Verwaltungskammer genügt zwar ein Zerwürfnis zwischen dem Pfarrer und dem Presbyterium oder einzelnen Presbytern allein regelmäßig nicht, um den Tatbestand des § 49 Abs. 1 b - heute § 84 Abs. 1 Nr. 2 - PfDG annehmen zu können; dieses Zerwürfnis muss vielmehr in die Gemeinde hinein wirken und die Arbeit des Pfarrers in der Gemeinde beeinträchtigt haben (Urteil der Verwaltungskammer vom 07.12.1995 – VK 15/1994 – zu dem in so weit vergleichbaren §§ 49 Abs. 1 b) PfDG a.F.). Eine besondere Bedeutung hat die Verwaltungskammer dabei gleichwohl dem Verhältnis des Pfarrers zu den übrigen Mitgliedern des Presbyteriums zugemessen. Ein lang andauerndes und tiefgreifendes Zerwürfnis zwischen diesen Personen wird sich in aller Regel nicht lediglich in internen Schwierigkeiten erschöpfen, sondern auch die gemeindebezogene Arbeit des Pfarrers und des Presbyteriums beeinträchtigen.
Das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 84 Abs. 1 Nr. 2 PfDG ist anhand der Gesamtumstände zu beurteilen. Dabei ist es nicht notwendig, Pflichtwidrigkeiten des Pfarrers, um dessen Abberufung es geht, festzustellen, denn die Abberufung hat keinen disziplinarischen Charakter. Unerheblich für die Tatbestandsfeststellung der Norm ist, wer die Störung des Gemeindelebens verschuldet hat. Erheblich ist insoweit nur die Feststellung, dass objektiv eine solche jedenfalls auch auf ein Verhalten des Pfarrers zurückzuführende Störung des Lebens in der Gemeinde vorliegt, die ein gedeihliches Wirken des Pfarrers in der Pfarrstelle als nicht mehr gewährleistet erscheinen lässt (Verwaltungskammer der Evangelischen Kirche von Westfalen – VK 6/89 –). Allerdings kann die Frage der Verursachung unter Fürsorgegesichtspunkten (vgl. Artikel 72 Abs. 1 KO, § 2 Abs. 2 PfDG) im Rahmen der Ermessensentscheidung des § 84 Abs. 1 PfDG von Bedeutung sein. Ist die Verursachung maßgeblich und erkennbar anderen Personen zuzuordnen, reicht die Feststellung eines Zerwürfnisses für eine Abberufung des Pfarrers nicht. In solchen Fällen kann das „gedeihliche Wirken“ des Pfarrers in der Pfarrstelle dadurch wieder gewährleistet werden, dass die Probleme nach dem Verursacherprinzip anderweitig gelöst werden.
Hier liegen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 84 Abs. 1 Nr. 2 PfDG vor.
Es ist zu einem Zerwürfnis zwischen dem Kläger einerseits und der Mehrheit des Presbyteriums sowie der übrigen Pfarrer(innen) der Gemeinde andererseits gekommen. Dies hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung eingeräumt. In der mündlichen Verhandlung wurde sowohl von dem Kläger als auch von den Vertretern der Beklagten sowie der Beigeladenen anschaulich und nachvollziehbar eine Entwicklung der Zusammenarbeit mit dem Kläger in der Gemeindeverwaltung nachgezeichnet, die ab Anfang 2002 zunehmend von Argwohn, Misstrauen und wechselseitigen Vorwürfen geprägt war und ist. Versuche, den Konflikt auf Leitungsebene der Gemeinde, auch mit Hilfe von Vertretern des Beigeladenen zu 1. und des Landeskirchenamtes, zu lösen, sind gescheitert. Davon gingen alle Beteiligten in der mündlichen Verhandlung einvernehmlich aus.
Das Zerwürfnis hat in die Gemeinde hineingewirkt, wobei dies auch dem Kläger zuzurechnen ist. Auch wenn es verständlich ist, dass er angesichts des sich seit Anfang 2002 verschärfenden Konfliktes in der Gemeindeleitung aus seinem Herzen keine Mördergrube machen wollte und er deshalb etwa in Gottesdiensten, gegenüber dem Seniorenclub oder anderweitig gegenüber Gemeindegliedern Hinweise auf das tiefer werdende Zerwürfnis gab, so trug dies doch zu einer Verbreitung der Kenntnis bei. Deutlich wird dies etwa durch die Eingabe eines sonst weniger engagierten Gemeindegliedes an Präses V. vom 05.05.2003, in dem sich dieses bereits Monate vor dem angefochtenen Bescheid gegen eine Abberufung des Klägers wandte. Auch der Besuchsdienstkreis der Gemeinde sowie der Seniorenclub teilten schon im Mai 2003 dem Landeskirchenamt ihre – für den Kläger positive – Ansicht in der offensichtlich nicht mehr internen Auseinandersetzung mit. Die Probleme, die der Gemeinde nach der in der mündlichen Verhandlung erfolgten Aussage des Herrn Fuchs, langjähriges Mitglied des Presbyteriums, zunächst nicht bekannt waren, wirkten nunmehr zunehmend in die Gemeinde hinein und es kam über den Versuch einer gütlichen Konfliktbewältigung zu Verzögerungen in der Gemeindearbeit. Es liegt auch auf der Hand, dass bei einem nachhaltigen Zwist zwischen den in gemeinsamer Verantwortung stehenden Pfarrern und Presbytern einer Gemeinde die gemeindebezogene Arbeit leidet und die Umstände in der Gemeinde bekannt werden können.
Die Kirchenleitung ist auch nicht bei der Ausübung des ihr nach § 84 Abs. 1 PfDG zustehenden Ermessens fehlerhaft verfahren.
Anhaltspunkte dafür, dass die Verursachung maßgeblich und so erkennbar anderen Personen und nicht dem Kläger zugeordnet werden kann mit der Folge, dass bei diesen auch die Lösung zu suchen ist, bestehen nicht. Aus dem Vortrag aller Beteiligten in der mündlichen Verhandlung ergibt sich vielmehr das Bild einer schwierigen Situation der Gemeinde, die nur durch gemeinsame, vertrauensvolle Zusammenarbeit aller zur Verantwortung berufenen Personen zu bewältigen gewesen wäre. Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Kläger sah indes die Mehrheit der Pfarrer(innen) und Presbyter als zunehmend unmöglich an. Auch wenn der Kläger die Gründe hierfür im Wesentlichen nicht in seiner Person sieht, so hat auch er nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung durch sein Verhalten zu der schwierigen Lage in der Gemeinde beigetragen und es ist keine andere Lösung der Konfliktbewältigung, als seine Abberufung, erkennbar geworden. Nach den wechselseitigen, jeweils im Wesentlichen unbeanstandet gebliebenen Aussagen der Beteiligen in der mündlichen Verhandlung kann jedenfalls nicht festgestellt werden, dass, wie ursprünglich vom Kläger vorgetragen, eine konzertierte Aktion gegen ihn stattgefunden hat. Dagegen sprechen zudem die Versuche der Superintendentin und des Presbyteriums, über eine supervisorische Konfliktmediation unter Leitung der Skriba des Beigeladenen zu 1. und externe Hilfe durch das Landeskirchenamt eine einvernehmliche Lösung zu finden.
Bei der Ermessensausübung hat die Kirchenleitung auch die persönliche Belastung des Klägers, die für ihn mit der Abberufung verbunden ist, in die Entscheidung eingestellt und mit den für die Abberufung sprechenden Gründen abgewogen. Weder der Abwägungsvorgang noch das Ergebnis ist zu beanstanden. Es ist keine Möglichkeit erkennbar, wie die Situation auf andere Weise als durch die Abberufung des Klägers hätte bereinigt werden können.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 66 Abs. 1, 71 VwGG i.V.m. §§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung VwGO).
Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Verwaltungskammergesetzes vorliegt.