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Kirchengericht:Verwaltungskammer der Evangelischen Kirche im Rheinland
Entscheidungsform:Urteil
Datum:15.12.1997
Aktenzeichen:VK 07/1997
Rechtsgrundlage:§ 589 Abs. 1 Satz 2 ZPO i.V.m. §§ 71 VwGG, 153 Abs. 1 VwGO, § 587 ZPO; § 580 ZPO
Vorinstanzen:keine
Schlagworte:Entlassung aus dem Presbyteramt, Wiederaufnahme des Verfahrens
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Leitsatz:

In der fehlenden Kenntnis eines Briefes, mit dem sich ein Urteil in einem früheren Verfahren eingehend befasst hat, liegt kein Einwand im Sinne der in § 580 ZPO aufgezählten Wiederaufnahmegründe, wenn diese Kenntnis in dem früheren Verfahren ohne weiteres durch Akteneinsicht Kenntnis erlangt werden konnte.
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Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Berufung wird nicht zugelassen.
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Tatbestand

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Der Kläger war bis zu seiner sofortigen einstweiligen Beurlaubung aufgrund des Bescheides des Superintendenten des Beklagten vom 14. Oktober 1996 als Presbyter in der Evangelischen Kirchengemeinde E. tätig, die zur Zeit von einem Bevollmächtigtenausschuß geleitet wird.
In seiner Sitzung vom 9. Oktober 1996 faßte der Kreissynodalvorstand des Beklagten unter anderem den Beschluß, den Kläger gemäß Artikel 88 Kirchenordnung (KO) aus dem Presbyteramt zu entlassen, und teilte dies dem Kläger durch Schreiben vom 14. Oktober 1996 mit.
Der Kläger rief gegen diesen Bescheid die Verwaltungskammer an, die seinen Antrag auf Aufhebung des Bescheides des Beklagten vom 14. Oktober 1996 durch aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 24. März 1997 ergangenes Urteil zurückwies. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf dieses Urteil (Az: VK 18/1996) Bezug genommen. Ferner wird auf die Niederschriften über die mündlichen Verhandlungen vom 10. Dezember 1996 und vom 24. März 1997 in diesem Verfahren verwiesen.
Der Kläger hat sich durch Schriftsatz vom 10. Juli 1997 – per Telefax übermittelt und bei der Verwaltungskammer eingegangen am selben Tage - mit dem Begehren an die Verwaltungskammer gewandt, deren Urteil vom 29. März 1997 aufzuheben und in der Sache neu zu entscheiden.
Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor: Die Entscheidung der Verwaltungskammer von März 1997, gegen die nach dem Verwaltungskammergesetz kein Rechtsmittel zulässig sei, leide unter zwei schwerwiegenden Verfahrensmängeln, die sich beide zu Lasten des Klägers ausgewirkt hätten. Zum einen habe der Kläger bereits im Rahmen des Verfahrens VK 18/1996 unter Beweisantritt behauptet, daß zu der Sitzung am 4. Oktober 1996 beide Kirchmeister in Absprache mit dem Superintendenten eingeladen hätten. Dieses Beweisangebot sei übergangen worden. Stattdessen behandele die Verwaltungskammer die Einberufung zur außerordentlichen Presbyteriumssitzung am 4. Oktober 1996 als unrechtmäßig. Zum anderen befaßten sich die Urteilsgründe eingehend mit einem Brief des Presbyteriumsvorsitzenden, Herrn Pfarrer Dr. Name 1, dessen Inhalt dem Kläger im Verlauf der Verhandlung nicht - wie es sich in einem fairen Prozeß gehört hätte - in Kopie vorgelegen habe. Aus diesem Brief sei im Verlauf der mündlichen Verhandlung zitiert worden. Der Verwaltungskammer und dem Beklagten sei der Inhalt des Schreibens vom 5. Juni 1996 im Gegensatz zum Kläger bekannt gewesen.
Es liege insoweit ein eklatanter Verstoß gegen § 24 Abs. 2 Verwaltungskammergesetz vor. Beide Verfahrensverstöße rechtfertigten gemäß § 31 VwKG, § 153 VwGO, §§ 578 ff. ZPO die Wiederaufnahme des Verfahrens.
Sollte die Verwaltungskammer diesem rechtlichen Ansatz nicht folgen, bitte der Kläger, die Eingabe als Petition zu behandeln, mit der er die Wiederherstellung seiner Wählbarkeit in der evangelischen Kirche verfolge.
Die Klage sei im Hinblick auf die am 10. Juni 1997 erfolgte Zustellung des Urteils in dem Verfahren VK 18/1996 und die am 10. Juli 1997 anhängig gemachte Wiederaufnahmeklage rechtzeitig erhoben worden. Die Fiktion des § 270 Abs. 2 Satz 2 ZPO sei widerlegt.
In der mündlichen Verhandlung vom 15. Dezember 1997 hat der Kläger darauf hingewiesen, daß er sein Begehren auf § 580 Nr. 7b) ZPO stütze.
Er beantragt,
das Urteil der Verwaltungskammer vom 29. März 1997 aufzuheben und in der Sache neu zu entscheiden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er führt zur Begründung im Wesentlichen aus: Die Klage sei nicht zulässig. Das Vorbringen des Klägers, der offenbar an die Restitutionsklage gemäß § 580 ZPO denke, erfülle nicht die Anforderungen für diese Klageart. Die Klage sei im Übrigen verspätet. Nach § 586 ZPO müsse sie innerhalb der Notfrist von einem Monat erhoben werden. Diese Frist sei jedoch nicht eingehalten. Die schriftliche Urteilsbegründung sei für den Kläger am 7. Juni 1997 auf den Postweg gegeben worden. Nach der Zugangsvermutung der ZPO (§ 270 Abs. 2 Satz 2 ZPO) gelte die Postsendung als am 8. Juni 1997 zugegangen. Die Klage sei aber erst vom 10. Juli 1997 und bei der Verwaltungskammer am 15. Juli 1997 eingegangen.
In der mündlichen Verhandlung vom 15. Dezember 1997 hat er ergänzend geltend gemacht, daß die von dem Kläger erwähnte Urkunde nicht neu aufgefunden, sondern bereits Gegenstand des ursprünglichen Verfahrens gewesen sei.
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Gründe:

Die Klage hat keinen Erfolg.
Sie ist unzulässig.
Zwar ist entgegen der Auffassung der Verfahrensbevollmächtigten des Beklagten die Monatsfrist des § 586 ZPO, der gemäß § 71 des Verwaltungsgerichtsgesetzes (VwGG), § 153 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) entsprechend anzuwenden ist, eingehalten.
Die Angaben des Verfahrensbevollmächtigten des Beklagten in seinem Schriftsatz vom 11. September 1997 zur Zugangsfiktion des Urteils vom 24. bzw. 29. März 1997 können bereits deshalb nicht zutreffen, weil der 7. Juni 1997 ein Samstag, also ein dienstfreier Werktag war, an dem die schriftliche Urteilsbegründung nicht auf den Postweg gegeben wurde. Hinzu kommt, daß der 8. Juni 1997 ein Sonntag war, an dem eine Zugangsfiktion unabhängig von der Frage, ob vorliegend § 270 Abs. 2 Satz 2 ZPO überhaupt entsprechend anwendbar ist oder ob nicht vorliegend über § 71 VwGG die Vorschrift des § 56 Abs. 2 VwGO in Verbindung mit dem Verwaltungszustellungsgesetz Anwendung findet, nicht eintreten kann.
Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte ist daher von dem Vortrag des Klägers auszugehen, daß das Urteil vom 24. bzw. 29. März 1997 am 10. Juni 1997 bei seinem früheren Verfahrensbevollmächtigten einging, so daß die Monatsfrist des § 586 ZPO für die am 10. Juli 1997 per Telefax übermittelte und am selben Tage bei der Verwaltungskammer eingegangene Klage gewahrt ist.
Die Klage verstößt jedoch zum einen gegen die Vorschrift des gemäß §§ 71 VwGG, 153 Abs. 1 VwGO anwendbaren § 587 ZPO, wonach in der Klage unter anderem die Erklärung enthalten sein muß, welche der möglichen Wiederaufnahmeklagen (Nichtigkeits- oder Restitutionsklage) erhoben wird.
Dies ist vorliegend nicht der Fall mit der Folge, daß gemäß § 589 Abs. 1 Satz 2 ZPO die Klage bereits aus diesem Grunde als unzulässig zu verwerfen ist.
Abgesehen davon ist die Klage, die - wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 15. Dezember 1997 deutlich gemacht hat – als Restitutionsklage im Sinne des § 580 ZPO erhoben werden sollte, deshalb unzulässig, weil die von dem Kläger gegen das Urteil der Verwaltungskammer von März 1997 vorgebrachten Einwendungen keinen Wiederaufnahmegrund im Sinne des § 580 ZPO - die dort genannten Wiederaufnahmegründe sind abschließend - darstellen.
Die von dem Kläger behauptete Übergehung eines Beweisangebotes im Rahmen des Verfahrens VK 18/1996 läßt sich ebensowenig einem der in § 580 ZPO aufgezählten Wiederaufnahmegründe zuordnen wie der Einwand, der Kläger habe vor dem Urteil der Verwaltungskammer in dem Verfahren VK 18/1996 keine Kenntnis von einem Brief des Gemeindepfarrers gehabt, mit dem sich das Urteil eingehend befasse. - Ein Einwand, der bereits deshalb nicht durchgreift, weil der Kläger von diesem Brief durch Akteneinsicht ohne weiteres im Rahmen des Verfahrens VK 18/1996 Kenntnis hätte erlangen können.
Zur Entscheidung über Petitionen ist die Verwaltungskammer nicht berufen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 66 Abs. 1 VwGG.
Die Berufung war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 Satz 2 des Kirchengesetzes über die kirchliche Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Evangelischen Kirche im Rheinland vom 9. Januar 1997 (Verwaltungskammergesetz - VwKG) in Verbindung mit
§ 2 Abs. 3 VwGG nicht gegeben sind.