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Kirchengericht: | Verwaltungskammer der Evangelischen Kirche im Rheinland |
Entscheidungsform: | Urteil |
Datum: | 22.11.1999 |
Aktenzeichen: | VK 12/1999 |
Rechtsgrundlage: | § 9 Abs. 3 PO, § 60 VwGO |
Vorinstanzen: | keine |
Schlagworte: |
Leitsatz:
Eine verschuldete Fristversäumung bezüglich der Widerspruchsfrist liegt vor, wenn die Form des eingeschriebenen Briefes gewählt wurde, bei der mit einer Verzögerung gerechnet werden muss und die Widerspruchsschrift an ein Postfach adressiert wird, wo ein eingeschriebener Brief nicht entgegengenommen werden kann.
#####Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Berufung wird nicht zugelassen.
#Tatbestand
###Die Klägerin ist Pfarrerin z.A. bei der Evangelischen Kirche im Rheinland. Sie bestand am 12.3.1999 die Zweite Theologische Prüfung mit dem Gesamtergebnis „befriedigend“ (Notendurchschnitt 2,63).
Die Notenübersicht wurde ihr am Prüfungstag mit Rechtsmittelbelehrung übergeben.
Im einzelnen sind die schriftlichen Arbeiten wie folgt bewertet worden:
- Praxisprojekt ausreichend
- Wissenschaftliche Hausarbeit im Fach Praktische Theologie ausreichend
- Predigt gut
- Entwurf einer Unterrichtseinheit befriedigend.
Die mündlichen Prüfungsergebnisse waren
- Biblische Theologie befriedigend
- Predigt – Gottesdienst – Kasualien sehr gut
- Seelsorge – Beratung – Gespräch sehr gut
- Kirchliche Bildungs- und Erziehungsarbeit gut
- Systematische Theologie gut
- Gemeindeleitung – Kirchliche Organisation –
Kirchenrecht gut
- Kirchengeschichte gut
- Oekumene/Mission und Diakonie befriedigend
Mit Schreiben vom 24.3.1999, aufgegeben bei der Post in S. als Lieferung mit Rückschein am 25.3.1999, erhob die Klägerin Widerspruch gegen das Gesamtergebnis der Prüfung bei dem Vorsitzenden des Theologischen Prüfungsamtes unter Postfachanschrift und beschränkte ihn auf die drei schriftlichen Arbeiten in den Bereichen Praxisprojekt, Wissenschaftliche Hausarbeit im Fach Praktische Theologie und Entwurf einer Unterrichtseinheit, sowie auf die mündliche Prüfung im Fach Biblische Theologie.
Der Widerspruch ging erst am 16.4.1999 bei der Evangelischen Kirche im Rheinland ein.
Mit Schreiben vom 15.5.1999, eingegangen bei der Evangelischen Kirche im Rheinland am 21.5.1999, begründete sie den Widerspruch. Sie machte im wesentlichen geltend, die drei schriftlichen Arbeiten und die mündliche Prüfung im Fach Biblische Theologie seien unterbewertet. Die Vorwürfe Oberflächlichkeit, unzureichende Reflexion und widersprüchliche Argumentation bei Abfassung der Arbeiten seien unbegründet. In der mündlichen Prüfung sei sie wiederholt unterbrochen worden und habe ihre Kenntnisse des Themas nicht zusammenhängend vortragen können.
Der Beschwerdeausschuß für die Theologischen Prüfungen der Evangelischen Kirche im Rheinland hat den Widerspruch gemäß § 9 Abs. 1 Prüfungsordnung für die Erste und Zweite Theologische Prüfung der Evangelischen Kirche im Rheinland (PO) mit Entscheidung vom 10.6.1999, abgegangen am 22.6.1999, als unzulässig zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, daß der Widerspruch erheblich verspätet, nicht am 26.3.1999, sondern erst am 16.4.1999 bei der Evangelischen Kirche im Rheinland eingegangen sei.
Daraufhin beantragte die Klägerin mit Schreiben vom 29.6.1999, eingegangen am 8.7.1999, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist für die Einlegung des Widerspruchs, da der Postbeamte ihr den rechtzeitigen Eingang am 26.3.1999 zugesagt habe.
Das Landeskirchenamt hat dem Antrag auf Wiedereinsetzung mit Bescheid vom 14.7.1999, abgegangen am 16.7.1999, nicht entsprochen. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Klägerin habe die verzögerte Zustellung selbst zu verantworten, da die Aufgabe des Widerspruchs bei der Post erst einen Tag vor Fristablauf erfolgt sei. Der Eingang bei der Evangelischen Kirche im Rheinland sei wegen der Postfachanschrift anstatt der Zustellanschrift erst am 16.4.1999 möglich gewesen.
Die Klägerin hat daraufhin mit Schreiben vom 19.7.1999, eingegangen am 21.7.1999, gegen die Entscheidung des Beschwerdeausschusses für die Theologischen Prüfungen der Evangelischen Kirche im Rheinland vom 10.6.1999 und den Bescheid des Landeskirchenamtes vom 14.7.1999 Klage erhoben.
Sie beruft sich auf ihren bisherigen Vortrag und macht weiter geltend, sie habe nach der Rechtsmittelbelehrung angenommen, daß zur Wahrung der Widerspruchsfrist der Eingangsstempel bei der Post ausreichend sei.
Der Beschwerdeausschuss für die Erste und Zweite Theologische Prüfung der Evangelischen Kirche im Rheinland hat mit Entscheidung vom 5.11.1999 den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid des Landeskirchenamtes vom 14.7.1999 zurückgewiesen wegen schuldhafter Versäumung der Widerspruchsfrist.
Die Klägerin beantragt ,
den Beklagten unter Aufhebung seiner Entscheidung über das Ergebnis der Zweiten Theologischen Prüfung vom 12.3.1999 und der Widerspruchsbescheide des Beschwerdeausschusses für die Theologischen Prüfungen der Evangelischen Kirche im Rheinland vom 10.6.1999 und vom 5.11.1999 zu verpflichten, über die Prüfungsergebnisse in den Bereichen Praxisprojekt, Wissenschaftliche Hausarbeit im Fach Praktische Theologie, Entwurf einer Unterrichtseinheit und Biblische Theologie unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Verwaltungskammer erneut zu entscheiden und das Gesamtergebnis neu festzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
da die Entscheidungen des Beschwerdeausschusses vom 10.6.1999 und vom 5.11.1999 rechtsfehlerhaft ergangen seien.
#Gründe:
Die Verwaltungskammer ist gemäß § 9 Abs. 3 PO in Verbindung mit § 19 Abs. 3 des Kirchengesetzes über die kirchliche Verwaltungsgerichtsbarkeit (VwGG) für die Entscheidung über die Klage zuständig.
Die Klage ist jedoch nicht zulässig.
Das nach § 22 VwGG, § 9 Abs. 1 PO vorgeschriebene Vorverfahren ist zwar durchgeführt worden. Mit der rechtzeitig erhobenen Klage werden auch Rechtsverstöße geltend gemacht, die das Gesamtergebnis der Prüfung bestimmt haben. Die Klägerin hätte nämlich bei Anhebung der angefochtenen Prüfungsergebnisse um eine Note gemäß § 22 Abs. 4 PO die Zweite Theologische Prüfung mit dem Gesamtergebnis „ gut“ (Notendurchschnit 2,19) bestanden, da das Gesamtergebnis „gut“ einen Notendurchschnitt von 1,75 – 2,49 voraussetzt.
Die Klägerin hat den Widerspruch bei dem Vorsitzenden des Prüfungsamtes jedoch nicht innerhalb von zwei Wochen seit Bekanntgabe der Noten am 12.3.1999 eingelegt, da der Widerspruch bei der Evangelischen Kirche im Rheinland erst am 16.4.1999 einging. Der Beschwerdeausschuß für die Theologischen Prüfungen der Evangelischen Kirche im Rheinland hat den Widerspruch der Klägerin somit am 10.6.1999 wegen Nichteinhaltung der Widerspruchsfrist zu Recht als unzulässig zurückgewiesen.
Er hat am 5.11.1999 auch den Widerspruch der Klägerin gegen die Versagung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand durch Bescheid des Landeskirchenamtes vom 14.7.1999 mit Recht zurückgewiesen, denn die Klägerin hat bezüglich der Absendung des Widerspruchs gegen das Prüfungsergebnis die ihr zuzumutende Sorgfalt außer Acht gelassen.
Es kann offen bleiben, ob bereits die Aufgabe der Widerspruchsschrift zur Post und ihre Absendung am 25. März 1999, also am vorletzten Tag der Frist, ein schuldhaftes Verhalten der Klägerin in Bezug auf die Einhaltung der Widerspurchsfrist darstellt oder ob dies nicht der Fall ist, weil sie auch bei einer Absendung des Widerspruchs erst am Vortag des Fristablaufs mit einem rechtzeitigen Eingang rechnen konnte.
vgl. zu diesem Problemkreis Kopp, Verwaltungsgerichtsordnung, 11. Auflage 1998,
§ 60 Randnummer 17 mit weiteren Nachweisen.
Verschuldet ist die Fristversäumung bezüglich der Widerspruchsfrist jedoch jedenfalls deshalb, weil die Klägerin zum einen die Form des eingeschriebenen Briefes gewählt hat, bei der mit einer Verzögerung gerechnet werden muß.
vgl. Kopp, aaO, § 60 Randnummer 17, Seite 808/809.
Zum anderen hat sie ihre Widerspruchsschrift an das Postfach des Landeskirchenamtes adressiert, wo – was ihr hätte klar sein müssen – ein eingeschriebener Brief nicht entgegengenommen werden kann.
Nicht verständlich ist die Einlassung der Klägerin, sie habe nach der Rechtsmittelbelehrung angenommen, daß zur Fristwahrung der Eingangsstempel bei der Post ausreiche; denn nach der Belehrung kann der Widerspurch „beim Vorsitzenden des Theologischen Prüfungsamtes, Präses Manfred Kock, Hans-Böckler-Straße 7, 40476 Düsseldorf“ erhoben werden, muß ihm also fristgemäß zugegangen sein.
Auch die Angabe der Klägerin, sie habe sich auf die Zusicherung des Postbeamten verlassen, daß das Schreiben am kommenden Tag eingegangen sein werde, macht deutlich, daß sie sich darüber im Klaren war, daß der Widerspruch innerhalb der Frist bei dem Beklagten eingegangen sein mußte und daß es nicht genügte, ihn innerhalb der Widerspurchsfrist zur Post aufzugeben und abzusenden.
Unter den genannten Umständen konnte die Klägerin daher nicht mit einem rechtzeitigen Zugang ihres Widerspruchs bei dem Beklagten rechen.
Daraus ergibt sich, daß eine Wiedereinsetzung wegen schuldhafter Versäumung der Widerspruchsfrist nicht gewährt werden konnte.
Die Klage war somit als unzulässig abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 66 Abs. 1 VwGG.
Die Berufung war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat.
Rechtsmittelbelehrung:
Die Nichtzulassung der Berufung kann durch Widerspruch, über den die Verwaltungskammer entscheidet, angefochten werden. In der Widerspruchsschrift, die innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei der Geschäftsstelle der Verwaltungskammer, Hans-Böckler-Straße 7, 40476 Düsseldorf, einzugehen hat, muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt werden.
Gleichzeitig ist die Berufung einzulegen. Die Berufungsschrift muß das angefochtene Urteil bezeichnen und einen bestimmten Antrag enthalten. Die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel sollen angegeben werden.
Wird dem Widerspruch gegen die Nichtzulassung der Berufung nicht stattgegeben, gilt die Berufung als nicht eingelegt.