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Kirchengericht:Verwaltungskammer der Evangelischen Kirche im Rheinland
Entscheidungsform:Urteil
Datum:29.01.2001
Aktenzeichen:VK 06/2000
Rechtsgrundlage:§ 19 Abs. 3 VwGG i.V.m. Art. 88 Abs. 3 Satz 2 KO; § 20 Nr. 3 VwGG
Vorinstanzen:keine
Schlagworte:Einvernehmen, Entlassung aus dem Presbyteramt, Pflichtwidrigkeit, Presbyteramt
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Leitsatz:

  1. Die kirchlichen Verwaltungsgerichte sind nicht bei allen Streitigkeiten innerhalb der Kirche zuständig, diese ergibt sich vielmehr aus §§ 19 und 20 des Kirchengesetzes über die kirchliche Verwaltungsgerichtsbarkeit – Verwaltungsgerichtsgesetz (VwGG) – vom 16. Juni 1996. Nur bei ausdrücklicher Bestimmung durch das kirchliche Recht, dürfen die Verwaltungskammern und der Verwaltungsgerichtshof der Evangelischen Kirche der Union kirchliche Entscheidungen überprüfen.
  2. Eine Zuständigkeit nach § 19 Abs.1 und 2 VwGG ist lediglich dann gegeben, wenn es um eine Streitigkeit über eine Entscheidung der Kirchenleitung oder des Landeskirchenamtes oder um eine solche aus einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis geht. Für Entscheidungen anderer Streitigkeiten aus dem Bereich der kirchlichen Ordnung und Verwaltung ist das Verwaltungsgericht nach § 19 Abs. 3 VwGG nur zuständig, wenn kirchliches Recht dies bestimmt.
  3. Wer nach Art. 88 Abs.1 KO wegen Pflichtwidrigkeit aus dem Presbyterium entlassen worden ist, verliert damit die Befähigung zur Übernahme des Presbyteramtes (Art. 88 Abs. 3 Satz 1 KO). Diese kann ihm allerdings nach Art. 88 Abs. 3 Satz 2 KO auf Antrag von dem Kreissynodalvorstand (KSV) im Einvernehmen mit dem Presbyterium wieder zuerkannt werden. Es besteht keine Möglichkeit das fehlende Einvernehmen Kreissynodalvorstand und Presbyterium verwaltungsgerichtlich zu überprüfen und gegebenenfalls durch ihre eigene gerichtliche Entscheidung zu ersetzen.
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Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Berufung wird zugelassen.
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Tatbestand

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Der Kläger war 20 Jahre lang Presbyter in der Evangelischen Kirchengemeinde H., zuletzt – bis 1996 - für vier Jahre auch Kirchmeister.
Am 26. August 1995 beschloss das Presbyterium der Beklagten die Umwandlung des von ihr betriebenen Altenheims „W“ zum 1.1.1996 in eine gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung (gGmbH). Hiergegen wandte sich der Kläger am 31.8.1995, indem er gegen den Beschluss Widerspruch bei dem Presbyterium erhob, wobei er ein entsprechendes Schreiben auch gleichzeitig an den Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland und den Superintendenten des Kirchenkreises D. sandte. Eine Änderung der Beschlusslage erreichte er bei dem Presbyterium nicht. Am 3. Juni 1996 benannte das Presbyterium der Beklagten die Mitglieder des Aufsichtsrates der gGmbH, wobei der Kläger nicht berücksichtigt wurde, was er widerspruchslos hinnahm.
Im Zusammenhang mit diesem Vorgang kam es zu einem erheblichen Konflikt zwischen dem Presbyterium der Beklagten und dem Kläger. Wegen des Verhaltens des Klägers beschloss der Kreissynodalvorstand des Kirchenkreises D. am 04.10.1996, den Kläger gemäß Art. 88 KO wegen grober Pflichtwidrigkeit aus dem Presbyteramt zu entlassen. Diese Entscheidung wurde dem Kläger mit Schreiben vom 8.10.1996 mitgeteilt. Die hiergegen zur Verwaltungskammer erhobene Beschwerde vom 22.10.1996 wies die Verwaltungskammer durch Urteil vom 22.4.1997 – VK 21/1996 – als unbegründet zurück.
Unter dem 9.11.1999 teilte der Kläger der Kirchengemeinde H. „unter Wahrung der Terminfrist 15.November 1999 zur Kandidatenauswahl“ seine Bereitschaft zur Kandidatur für das Presbyteramt im III. Pfarrbezirk bei den Presbyteriumswahlen am 20.2.2000 mit. Mit gleicher Post stellte er einen Antrag auf Rehabilitation gem. Art. 88 Abs. 3 KO an den Kreissynodalvorstand (KSV) des Kirchenkreises D..
Der KSV beschloss am 18.11.1999, dem Kläger die Befähigung zur Übernahme des Presbyteramtes wieder zuzuerkennen, versah den Beschluss jedoch mit dem Zusatz, dass das Presbyterium der Kirchengemeinde H. beschlußmäßig zustimmen müsse, weil die Zuerkennung aufgrund des Art. 88 Abs. 3 Satz 2 KO nur im Einvernehmen mit dem Presbyterium der Kirchengemeinde H. geschehen könne. Diese Entscheidung wurde dem Kläger durch Schreiben des Landeskirchenamtes vom 13.12.1999 mitgeteilt. Am 22.11.1999 lehnte das Presbyterium den Antrag des Klägers hinsichtlich seiner Kandidatur bei der Presbyteriumswahl am 20.2.2000 mit der Begründung ab, das Wahlverzeichnis sei bereits zum 22.10.1999 geschlossen worden, der Antrag vom 9.11.1999 sei somit verspätet. Wegen der Zustimmung zur Zuerkennung der Wahlfähigkeit werde er im Jahr 2000 zu einer Anhörung eingeladen, um dann - nach Beratung - über den Antrag entscheiden zu können.
Den gegen die Nichtzulassung zur Wahl 2000 gerichteten Antrag vom 25.11.1999 auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wies die Verwaltungskammer durch Beschluss vom 13.12.1999 – VK 20/1999 Nr.2 - als unzulässig zurück. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Klägers vom 17.12.1999 wies der Verwaltungsgerichtshof (VGH) der Evangelischen Kirche der Union am 23.12.1999 - VGH 9/99 – als unbegründet zurück.
Den Antrag des Klägers vom 11.02.2000, einstweilen eine Aussetzung des Presbyterwahlverfahrens der Kirchengemeinde H. am 20.02.2000 anzuordnen, wies die Verwaltungskammer durch den Vorsitzenden durch Beschluss vom 20.02.2000 – VK 01/2000 - als unzulässig zurück. Auch die Anrufung der Verwaltungskammer mit Schreiben vom 28.02.2000 blieb ohne Erfolg, der Antrag wurde durch Beschluss vom 03.04.2000 zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Klägers wurde vom VGH durch Beschluss vom 20.5.2000 – VGH 4/00 - zurückgewiesen.
Die Kirchengemeinde H. teilte dem Kläger mit Schreiben der Presbyteriumsvorsitzenden vom 07.04.2000 mit, dass mit Erstaunen und Befremden zur Kenntnis genommen worden sei, dass sich der Kläger hinsichtlich seiner Kandidatur zur Presbyteriumswahl am 20.02.2000 mehrfach an den Superintendenten, die Landeskirche und deren Präses sowie an Verwaltungsgerichtsstellen gewandt habe, niemals jedoch an das zuständige Presbyterium. Er werde deshalb um eine Stellungnahme hierzu aufgefordert und im übrigen zu einem Gespräch in der Sitzung des Presbyteriums am 8.5.2000 eingeladen. Im Anschluss daran werde sodann über seinen Antrag auf erneute Zuerkennung der Wahlbefähigung gemäß Art. 88 Abs.3 KO beraten und entschieden.
Am 8.5.2000 hörte das Presbyterium der Kirchengemeinde den Kläger an und fasste sodann folgenden Beschluss:
„Das Presbyterium ist in seiner Sitzung vom 8. Mai 2000 nach Anhörung des Antragstellers, Herrn XXXXXX, nach längerer Aussprache zu dem Ergebnis gekommen, dass zum jetzigen Zeitpunkt die Befähigung zur Übernahme des Presbyteramtes nach Art. 88 Abs. 3 der Kirchenordnung nicht möglich ist.“
Dieser Beschluss wurde dem Kläger am selben Tage mündlich und mit Schreiben vom 18.5.2000 schriftlich mitgeteilt.
Mit Schreiben vom 5.6.2000 – vorab per Fax eingegangen, mit der Briefpost am 6.6.2000 - hat der Kläger die Verwaltungskammer angerufen und erklärt, er lege gegen den Beschluss des Presbyteriums der Kirchengemeinde H. „Widerspruch“ ein.
Zur Begründung führt er aus, der Beschluss sei weder juristisch noch theologisch mit der Kirchenordnung vereinbar. Der Beschluss begründe eine weitere Verurteilung für die gleiche Sache, was ebenfalls nicht durch die Kirchenordnung zu begründen sei. Schließlich sei auch nicht geklärt, ob das Ausschlußverfahren bezugnehmend auf die Presbyterwahlordnung zulässig gewesen sei oder nicht.
Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verpflichten, ihr Einvernehmen zu dem Bescheid des Kreissynodalvorstandes des Kirchenkreises D. vom 18.11.1999 über die Wiederzuerkennung der Befähigung des Klägers zur Übernahme des Presbyteramtes herzustellen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte trägt zur Begründung vor, das Presbyterium sei nach wie vor der Meinung, dass eine Zusammenarbeit mit dem Kläger im Presbyterium nicht möglich sei.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im übrigen wird ergänzend auf die Akte der Verwaltungskammer verwiesen.
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Gründe:

Die Klage ist nicht zulässig.
Die Verwaltungskammer ist für die von dem Kläger erhobene Verpflichtungsklage nicht zuständig.
Nicht bei allen Streitigkeiten innerhalb der Kirche können die kirchlichen Verwaltungsgerichte angerufen werden. Vielmehr ergibt sich die Zuständigkeit der Verwaltungskammer aus §§ 19 und 20 des Kirchengesetzes über die kirchliche Verwaltungsgerichtsbarkeit – Verwaltungsgerichtsgesetz (VwGG) – vom 16. Juni 1996. Nur wenn dies ausdrücklich durch das kirchliche Recht bestimmt ist, dürfen die Verwaltungskammern und der Verwaltungsgerichtshof der Evangelischen Kirche der Union kirchliche Entscheidungen überprüfen.
Im vorliegenden Rechtsstreit gibt es keine Vorschrift, nach der die kirchlichen Verwaltungsgerichte zuständig sein können.
Eine Zuständigkeit nach § 19 Abs.1 und 2 VwGG scheidet aus, weil es hier weder um eine Streitigkeit über eine Entscheidung der Kirchenleitung oder des Landeskirchenamtes noch um eine solche aus einem öffentlich-rechtlichen Dienst-verhältnis geht.
Nach § 19 Abs.3 VwGG ist für Entscheidungen anderer Streitigkeiten aus dem Bereich der kirchlichen Ordnung und Verwaltung das Verwaltungsgericht nur zuständig, wenn kirchliches Recht dies bestimmt.
Wer, wie der Kläger, nach Art. 88 Abs.1 KO wegen Pflichtwidrigkeit aus dem Presbyterium entlassen worden ist, verliert damit die Befähigung zur Übernahme des Presbyteramtes (Art. 88 Abs.3 Satz 1 KO). Sie kann ihm allerdings nach Art. 88 Abs.3 Satz 2 KO auf Antrag von dem Kreissynodalvorstand (KSV) im Einvernehmen mit dem Presbyterium wieder zuerkannt werden. Hier hat der KSV des Kirchenkreises D. mit Beschluss vom 18.11.1999 dem Kläger die Befähigung zur Übernahme des Presbyteramtes unter der Voraussetzung zuerkannt, dass dies nur im Einvernehmen mit dem Presbyterium der Kirchengemeinde H. geschehen könne. Dieses erforderliche Einvernehmen ist durch den Beschluss des Presbyteriums vom 8.5.2000 nicht hergestellt worden. Ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Presbyteriums oder des Kreissynodalvorstandes sieht Art. 88 Abs.3 KO – anders als der Art. 88 Abs.2 KO für den Fall der Entlassung aus dem Presbyteramt - nicht vor. Der kirchliche Gesetzgeber wollte, wie sich aus dem Wortlaut des Art. 88 KO ergibt, dem nach Art. 88 Abs.1 KO entlassenen Presbyter im Hinblick auf die Entlassung mit der Möglichkeit der Beschwerde zum Verwaltungsgericht einen Rechtsschutz gewähren, auch wenn dieser nicht uneingeschränkt ist, weil gegen die Entscheidung der Verwaltungskammer kein weiteres Rechtsmittel vorgesehen ist. Demgegenüber sieht Art. 88 Abs.3 KO zwar die Möglichkeit vor, einem entlassenen Presbyter durch eine einvernehmliche Entscheidung von KSV und Presbyterium die Befähigung zur Übernahme des Presbyteramtes wieder zuzuerkennen, sieht eine verwaltungsgerichtliche Überprüfung der jeweiligen Entscheidung von KSV und Presbyterium im Falle der Ablehnung aber nicht vor. Die Verwaltungskammer hat deshalb keine Möglichkeit, das fehlende Einvernehmen zu überprüfen und gegebenenfalls durch ihre eigene Entscheidung zu ersetzen.
Auch aus folgendem Gesichtspunkt ist die Klage unzulässig:
Nach § 20 Nr. 3 VwGG unterliegen der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts nicht Entscheidungen aus dem kirchlichen Wahlrecht, sofern das kirchliche Recht nicht etwas anderes bestimmt. Hier geht es dem Kläger um die Wiederzuerkennung der Befähigung zur Übernahme des Presbyteramtes und damit im weiteren Sinne um das ihm bei einer Wiederzuerkennung zustehende aktive und passive Wahlrecht. Für diese Fälle aber sieht weder die Kirchenordnung noch das Kirchengesetz betreffend die Übertragung des Presbyteramtes in der Evangelischen Kirche im Rheinland (Presbyterwahlgesetz) vom 11. Januar 1995 (KABl. S.4) einen Rechtsschutz durch die Verwaltungsgerichte vor. Vielmehr entscheidet nach § 11 Presbyterwahlgesetz über die Zulassung zur Wahl und andere im Presbyterwahlgesetz vorgesehene Fälle das Presbyterium und in den Fällen, in denen ein Einspruch gegen dessen Entscheidungen möglich ist, der KSV abschließend.
Soweit der Kläger vorträgt, es sei bislang nicht geklärt, ob das ihn betreffende Ausschlussverfahren bezugnehmend auf die Presbyterwahlordnung zulässig gewesen sei oder nicht, ist nicht ersichtlich, was dies mit dem Beschluss des Presbyteriums vom 8.5.2000 zu tun hat. Denn hinsichtlich des Ausschlussverfahrens hat er den zulässigen Rechtsweg beschritten, der durch den Beschluss der Verwaltungskammer vom 22.4.1997 – VK 21/1996 - entschieden worden ist. Hinsichtlich der Nichtberücksichtigung des Klägers bei Aufstellung der Wahllisten für die Wahl am 20.2.2000 hat er den nicht zulässigen Rechtsweg zur Verwaltungskammer gesucht, nicht aber die nach dem Presbyterwahlgesetz vorgesehenen Rechtsmittel. Alle insoweit bei der Verwaltungskammer anhängig gemachten Anträge des Klägers waren unzulässig, was dem Kläger auch mehrfach durch die Entscheidungen der Verwaltungsgerichte mitgeteilt worden ist.
Auch der weitere Vortrag, er sehe in der angefochtenen Entscheidung des Presbyteriums eine unzulässige Doppelverurteilung in derselben Angelegenheit, geht fehl. Denn der Kläger verkennt, dass es hier nicht um eine weitere, zusätzliche Sanktion, sondern um die Beseitigung der nach Art. 88 KO vorgesehene Folge seines Ausschlusses aus dem Presbyterium geht, der nicht nur den Verlust der Wählbarkeit nach Art. 88 Abs. 3 Satz 1 KO vorsieht, sondern auch seine Wahlberechtigung nach § 1 Abs. 2 a) des Presbyterwahlgesetzes. Gleichwohl ist auch im Hinblick darauf der Rechtsweg im Rahmen der Kann-Bestimmung des Art. 88 Abs. 3 Satz 2 KO nicht eröffnet.
Die Klage war deshalb mit der Kostenfolge des § 66 Abs.1 VwGG abzuweisen.
Die Berufung war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage, ob gegen die Verweigerung des Einvernehmens der Kirchengemeinde zur Wiederzuerkennung der Befähigung zur Übernahme des Presbyteramtes gemäß Artikel 88 Abs. 3 Satz 2 KO eine Klage zur Verwaltungskammer zulässig ist, zuzulassen (§ 3 Abs. 2 VwKG).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen dieses Urteil können die Beteiligten Berufung einlegen. Diese ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle der Verwaltungskammer (Hans-Böckler-Str. 7, 40476 Düsseldorf) einzulegen.
Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Verwaltungsgerichtshof der Evangelischen Kirche der Union eingeht.