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Kirchengericht:Verwaltungskammer der Evangelischen Kirche im Rheinland
Entscheidungsform:Urteil
Datum:26.11.2001
Aktenzeichen:VK 10/2000
Rechtsgrundlage:§ 9 Abs. 2 Verwaltungskammergesetz (VwKG); § 13 Abs. 3 Beihilfevorschriften (BhV); §13 Abs. 10 BhV
Vorinstanzen:keine
Schlagworte:Ausschlussfrist, Beihilfe, Vorlagefrist, Widerspruchsverfahren
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Leitsatz:

  1. Ein Widerspruch gilt gem. § 9 Abs. 2 Verwaltungskammergesetz – VwKG – als abgelehnt, wenn über ihn nicht innerhalb der Frist von fünf Monaten entschieden wird, bzw. angekündigt wird, dass nicht innerhalb der laufenden Frist entschieden werden kann.
  2. Beihilfe wird gemäß § 13 Abs. 3 Satz 1 der Beihilfevorschriften (BhV) nur gewährt, wenn sie innerhalb eines Jahres nach Entstehen der Aufwendungen, spätestens jedoch ein Jahr nach der ersten Ausstellung der Rechnung beantragt wird.
  3. Auch nach Inkrafttreten der Beihilfeverordnung (BVO 2000) gelten die Beihilfevorschriften (BhV) gemäß § 16 Satz 2 Beihilfeverordnung für solche Aufwendungen ärztlicher und zahnärztlicher Leistungen weiter, die bis 31. Dezember 1999 entstanden sind. Mangels einer entsprechenden Regelung in den Beihilfevorschriften (BhV) ist auch bei entschuldbarer Fristversäumnis kein Raum für eine Beihilfegewährung.
  4. Lassen die geltend gemachten Gründe für die verspätete Vorlage des Beihilfeantrages nicht den Schluss auf ein fehlendes Verschulden an der Fristversäumung zu, bedarf die die Frage einer entsprechenden Anwendbarkeit der Regelung über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 32 Verwaltungsverfahrensgesetz NRW (VwVfG-NRW) keiner Erörterung.
  5. Aufwendungen im Sinne des § 13 Abs. 10 BhV sind nur solche, die dem Grunde nach nicht beihilfefähig sind, nicht aber solche, für die wegen Versäumung der Antragsfrist eine Beihilfegewährung ausscheidet.
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Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Die Berufung wird nicht zugelassen.
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Tatbestand

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Die Klägerin beantragte bei der Beihilfeabteilung des Landeskirchenamtes (LKA) der Beklagten am 18. Dezember 1999 die Gewährung einer Beihilfe für ärztliche und zahnärztliche Leistungen, für die sie sieben Rechnungen im Gesamtumfang von 17.410,14 DM erhalten hatte. Die Rechnungen stammten sämtlich aus dem Jahre 1997, die zeitlich jüngste Rechnung datierte vom 12. Dezember 1997.
Mit Bescheid vom 29. Mai 2000 setzte das im Auftrag der Beklagten tätige Beihilfe-Berechnungs-Zentrum (bbz) GmbH die Beihilfe für die Klägerin auf 00,00 DM fest. Die Aufwendungen für die ärztlichen und zahnärztlichen Leistungen könnten bei der Beihilfegewährung nicht berücksichtigt werden, weil die Vorlagefrist nach § 13 Beihilfevorschriften (BhV) bereits verstrichen sei.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin mit am 27. Juni beim bbz eingegangenem Schreiben vom 25. Juni 2000 Widerspruch ein. Zur Begründung führte sie aus, ihr sei unbekannt gewesen, dass für die Stellung des Antrags auf Gewährung einer Beihilfe eine Frist gelte. Darüber sei sie bei ihrem Dienstantritt in der rheinischen Landeskirche im Dezember 1995 nicht aufgeklärt worden. In der lippischen Landeskirche, in der sie vorher tätig gewesen sei, sei nie von einer Jahresausschlussfrist die Rede gewesen.
Sie habe den Beihilfeantrag erst so spät vorlegen können, weil sie seit ihrem Dienstantritt in Köln besonderen Belastungen ausgesetzt gewesen sei. In den Jahren 1997 und 1998 sei sie Präses der Gemeinde gewesen und habe wegen der Einarbeitung in die Besonderheiten der Strukturen und Arbeitsabläufe in der rheinischen Landeskirche ihre persönlichen Angelegenheiten zurückstellen müssen. Ende 1998 sei sie schwanger geworden und habe auch während der Schwangerschaft nicht die Ruhe und Zeit gehabt, sich um die aufgelaufenen Rechnungen zu kümmern. Nach der Geburt ihrer Zwillinge habe sie den Gemeindedienst für mehrere Jahre zurückgestellt, deshalb zum 4. Dezember 1999 das Pfarrhaus geräumt und die Pfarrstelle übergeben. Unmittelbar danach habe sie die Rechnungen eingereicht. – Sie sei auf die Beihilfegewährung finanziell angewiesen, da sie selbst freigestellt sei und auch ihr Ehemann seine Arbeitszeit wegen der beiden Kinder reduziert habe.
Am 31. Juli 2000 teilte das bbz der Klägerin mit, man werde ihren Widerspruch an den Beschwerdeausschuss der Kirchenleitung der Beklagten zur Entscheidung weiterleiten. – Mit Brief vom 30. Oktober 2000 teilte das LKA der Klägerin mit, ihr Widerspruch gegen den Bescheid des bbz vom 29. Mai 2000 sei in Düsseldorf erst am 27. Oktober 2000 eingegangen. Da der Widerspruch nicht innerhalb von fünf Monaten beschieden werden könne, gelte er nach § 9 Abs. 2 Verwaltungskammergesetz (VwKG) als abgelehnt. Sie könne nunmehr bis zum Ablauf von acht Monaten – gerechnet vom 27. Juni 2000 an – Klage bei der Verwaltungskammer erheben.
Mit Schreiben vom 6. Dezember – bei der Geschäftsstelle der Verwaltungskammer eingegangen am 8. Dezember 2000 – hat die Klägerin die Verwaltungskammer angerufen. Ihr Widerspruch gegen die Ablehnung des Antrages auf Gewährung von Beihilfe sei inhaltlich nicht geprüft, sondern unter Hinweis auf § 9 Abs. 2 VwKG für abgelehnt erklärt worden. Die widerspruchsentscheidenden Stellen seien ohne ihr Verschulden nicht in der Lage gewesen, ihren Widerspruch zu bescheiden, obwohl sie ihren Widerspruch fristgerecht eingereicht habe. Im Übrigen wiederholt die Klägerin ihre Widerspruchsbegründung. Sie weist darauf hin, dass ihr die Regelung für die Frist zur Vorlage von Beihilfeanträgen nicht bekannt gewesen sei. Sie bittet um Berücksichtigung der besonderen Belastungen, denen sie seit ihrem Dienstantritt in Köln ausgesetzt gewesen sei.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 29. Mai 2000 des Beihilfe-Berechnungs-Zentrums zu verpflichten, der Klägerin Beihilfe für die mit Antrag vom 18. Dezember 1999 vorgelegten ärztlichen und zahnärztlichen Rechnungen über insgesamt 17.410,14 DM zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie weist darauf hin, dass nach § 13 Abs. 3 BhV in der bis zum 31. Dezember 1999 geltenden Fassung eine Beihilfe nur gewährt werde, wenn sie innerhalb eines Jahres nach Entstehen der Aufwendungen, spätestens jedoch ein Jahr nach der ersten Ausstellung der Rechnung, beantragt werde. Alle geltend gemachten Rechnungen lägen vor diesem Antragsdatum. – Die Frist nach § 13 Abs. 3 BhV stelle eine Ausschlussfrist dar. Eine Ermessensentscheidung sei nach den BhV nicht möglich.
Wegen des Vortrages der Parteien im Übrigen wird auf den Inhalt der Akte der Verwaltungskammer sowie auf den von der Beklagten eingereichten Verwaltungsvorgang Bezug genommen.
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Gründe:

Die Klage ist zulässig. Über sie konnte trotz Ausbleibens der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 26. November 2001 verhandelt und entschieden werden, weil die Klägerin in der Ladung gemäß § 36 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsgesetz (VwGG) auf die Möglichkeit einer solchen Verfahrensweise hingewiesen worden ist.
Die Verwaltungskammer ist nach § 19 Abs. 2 VwGG zuständig.
Das erforderliche Vorverfahren ist von der Klägerin form- und fristgerecht eingeleitet worden. Sie hat gegen den Bescheid des bbz vom 29. Mai den am 27. Juni 2000 und damit innerhalb der Frist von einem Monat (§ 22 Abs. 2 Satz 2 VwGG) eingegangenen Widerspruch eingelegt. Da die Beklagte über den Widerspruch nicht innerhalb der Frist von fünf Monaten entschieden hat bzw. am 30. Oktober 2000 ankündigte, man werde den Widerspruch nicht innerhalb der bis 27. November 2000 laufenden Frist bescheiden können, galt der Widerspruch als abgelehnt
(§ 9 Abs. 2 Verwaltungskammergesetz – VwKG -). Die Klägerin hat die für diesen Fall geltende Frist von acht Monaten mit der am 8. Dezember 2000 bei der Geschäftsstelle der Verwaltungskammer eingegangenen Klage eingehalten.
Die Klage ist jedoch nicht begründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Gewährung von Beihilfe für die ihr entstandenen Aufwendungen für ärztliche und zahnärztliche Leistungen, über die sie die mit ihrem Antrag vom 18. Dezember 1999 vorgelegten Rechnungen erhalten hat. Der die Beihilfegewährung ablehnende Bescheid des bbz vom 29. Mai 2000 ist daher rechtmäßig und verletzt sie im Sinne von § 71 VwGG in Verbindung mit § 113 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) nicht in ihren Rechten.
Der Geltendmachung der Aufwendungen für ärztliche und zahnärztliche Leistungen steht § 13 Abs. 3 Satz 1 der Beihilfevorschriften (BhV) in der bis Ende 1999 geltenden Fassung entgegen. Nach dieser Vorschrift wird eine Beihilfe nur gewährt, wenn sie innerhalb eines Jahres nach Entstehen der Aufwendungen, spätestens jedoch ein Jahr nach der ersten Ausstellung der Rechnung beantragt wird. Gemäß § 16 Satz 2 der zum 1. Januar 2000 in Kraft getretenen Beihilfeverordnung (BVO 2000) galten die BhV weiter für solche Aufwendungen, die bis 31. Dezember 1999 entstanden waren.
Die Antragsfrist von einem Jahr ist von der Klägerin um mehr als ein Jahr überschritten worden. Die zeitlich letzte der mit dem Beihilfeantrag vom 18. Dezember 1999 eingereichten Rechnungen datierte vom 12. Dezember 1997. Wegen dieser verspäteten Geltendmachung des Beihilfeanspruchs lagen die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 BhV und damit die Voraussetzungen für einen Ausschluss der Gewährung einer Beihilfe vor.
Über diese Fristversäumung kann nicht hinweggesehen werden. Die verspätete Antragstellung lässt die Gewährung einer Beihilfe nicht zu. Die bis zum 31.12.1999 geltenden BhV enthielten keine dem § 13 Abs. 8 Satz 2 der Beihilfevorschriften des Landes NRW (BVO NRW) bzw. keine dem § 13 Abs. 2 Satz 2 der BVO 2000 (in der ab 1. Januar 2000 im Bereich der Beklagten geltenden Fassung) entsprechende Vorschrift. § 13 Abs. 3 Satz 2 BVO 2000 bestimmt für die Zeit ab 1. Januar 2000, dass zu verspätet geltend gemachten Aufwendungen eine Beihilfe gewährt werden darf, wenn das Versäumnis entschuldbar ist. Für die bis 31. Dezember 1999 entstandenen Aufwendungen ist mangels einer entsprechenden Regelung in den BhV auch bei entschuldbarer Fristversäumnis kein Raum für eine Beihilfegewährung.
Keiner Erörterung bedarf die Frage, ob in entsprechender Anwendung der Regelung über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 32 Verwaltungsverfahrensgesetz NRW (VwVfG-NRW) geprüft werden darf, ob die Klägerin ohne ihr Verschulden verhindert gewesen ist, die Ausschlussfrist des § 13 Abs. 3 BhV einzuhalten. Die von der Klägerin geltend gemachten Gründe für die verspätete Vorlage des Beihilfeantrages lassen nicht den Schluss auf fehlendes Verschulden an der Fristversäumung zu. Soweit sie sich darauf beruft, die Ausschlussfrist für die Geltendmachung von Aufwendungen zur Gewährung einer Beihilfe sei ihr nicht bekannt gewesen, ist diese mangelnde Kenntnis nicht unverschuldet. Unkenntnis über die zu beachtenden Fristen für einen Beihilfeantrag hat ein Antragsteller in der Regel selbst zu vertreten (so das Bundesverwaltungsgericht – BVerwG - , Urteil vom 3. Juni 1965, Buchholz 238.91 – BGr 1942 - Nr. 8 sowie Mohr-Sabolewski, Beihilfenrecht NRW, Anmerkung 4 zu § 13 BVO NRW). Da sie sich bereits seit Ende 1995 in Diensten der Beklagten befand, wäre es der Klägerin zuzumuten gewesen, sich nach den einzuhaltenden Fristen für die Stellung eines Beihilfeantrages zu erkundigen. Die Ausschlussfrist des § 13 Abs. 3 BhV von einem Jahr war bereits in der Fassung der BhV vom 19. Juni 1975 enthalten (im Gegensatz zu der Regelung beim Land NRW, wo bis 30. September 1998 die Dauer der Ausschlussfrist zwei Jahre betrug und erst ab 1. Oktober 1998 auf ein Jahr verkürzt wurde).
Auch die von der Klägerin angeführte erhebliche dienstliche Belastung durch Einarbeitung in die Besonderheiten einer Gemeinde in der Evangelischen Kirche im Rheinland und die Ausübung des Amtes der Vorsitzenden des Presbyteriums in den Jahren 1997 und 1998 vermögen die deutliche Fristüberschreitung nicht zu entschuldigen. (Vgl. auch Mohr-Sabolewski a.a.O. - für den Fall einer dienstlichen Überlastung - unter Berufung auf einen Beschluss des OVG Münster vom 29. Januar 1986). Die Einarbeitung in eine neue Stelle ist im Arbeitsleben nichts Ungewöhnliches. Ebenso wenig lassen die Ende 1998 eingetretene Schwangerschaft der Klägerin sowie die spätere Räumung des Pfarrhauses und die Übergabe der Pfarrstelle die Versäumung der Antragsfrist als entschuldbar erscheinen. Abgesehen davon, dass die Antragsfrist des § 13 Abs. 3 BhV für die letzte vorgelegte Arztrechnung bereits am 12. Dezember 1998 und damit mit dem Beginn der Schwangerschaft endete - für die zeitlich letzte voraufgehende Rechnung bereits am 30. Oktober 1998 -, kann als entschuldbar nur eine solche Beeinträchtigung der körperlichen Verfassung angesehen werden, die daran hinderte, einen Antrag einzureichen, was etwa bei einer schweren Erkrankung während der Zeit des Fristablaufs der Fall sein kann (vgl. Mohr-Sabolewski a.a.O.).
Auch eine Anwendung des § 13 Abs. 10 BhV kann nicht in Betracht gezogen werden. Diese Vorschrift lässt es zu, bei Vorliegen einer wirtschaftlichen Notlage eine Unterstützung auf Grund der Unterstützungsgrundsätze auch zu nicht beihilfefähigen Aufwendungen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen zu gewähren. Mit Aufwendungen im Sinne des § 13 Abs. 10 BhV sind jedoch nur solche gemeint, die dem Grunde nach nicht beihilfefähig sind, und nicht solche, für die wegen Versäumung der Antragsfrist eine Beihilfegewährung ausscheidet.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 66 Abs. 1 VwGG.
Die Berufung war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 3 Abs. 2 VwKG hat.
Rechtsmittelbelehrung:
Die Nichtzulassung der Berufung kann durch Widerspruch, über den die Verwaltungskammer entscheidet, angefochten werden. In der Widerspruchsschrift, die innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei der Geschäftsstelle der Verwaltungskammer, Hans-Böckler-Straße 7, 40476 Düsseldorf, einzugehen hat, muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt werden.
Gleichzeitig ist die Berufung einzulegen. Die Berufungsschrift muss das angefochtene Urteil bezeichnen und einen bestimmten Antrag enthalten. Die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel sollen angegeben werden.
Wird dem Widerspruch gegen die Nichtzulassung der Berufung nicht stattgegeben, gilt die Berufung als nicht eingelegt.